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Zwischen Brian Wilson, Hiphop und Morricone: Die High Llamas in Dijon

Sean O'Hagan und die High Llamas sind eigenwillige Perfektionisten und Außenseiter im Pop-Betrieb. Nach Deutschland kamen sie auf ihrer ersten Tour seit vielen Jahren nicht. Nach Frankreich schon.

The High Llamas in Dijon: Sean O'Hagan mit der französischen Sängerin Nina Savary.
The High Llamas in Dijon: Sean O'Hagan mit der französischen Sängerin Nina Savary. Foto: Thomas Morawitzky
The High Llamas in Dijon: Sean O'Hagan mit der französischen Sängerin Nina Savary.
Foto: Thomas Morawitzky

DIJON. Euphorie herrscht am Donnerstag vor Ostern in La Vapeur, einem soziokulturellen Zentrum am Rande von Dijon: Zu Gast sind The High Llamas, die Band um Sean O’Hagan. Ihre Auftritte sind rar, an ihnen spaltet sich der Publikumsgeschmack: The High Llamas sind seit nun 34 Jahren eine Band, von der viele sich, entnervt vom zarten Klang, entschieden abwenden, während andere in Staunen ob der Schönheit und des leisen Humors ihrer Stücke verfallen.

Sean O’Hagan gilt nicht wenigen als der Brian Wilson der jüngeren Pop-Musik, arbeitet mit visionärem Feingefühl an Songs und musikalischen Gemälden, in denen schwärmerische Beach-Boys-Reminiszenzen mit Anleihen an Soundtracks von Ennio Morricone, Easy-Listening, zeitgenössischer E-Musik und dem Blubbern retrofuturistischer Soundmaschinen verschwimmen. O’Hagan war Bandmitglied bei Stereolab, einer der innovativsten Bands der 1990er, prägte ihre späteren Alben vor allem als Produzent. Auch Stereolab sind wieder auf Tournee, werden am 16. Juni in der Schorndorfer Manufaktur auftreten – ohne Sean O’Hagan freilich.

Mit leisen Hiphop-Beats

O'Hagan begann seine musikalische Karriere mit der Indie-Pop-Band Microdisney, die er 1991 mit Cathal Coughlan im irischen Cork gründete. Einen vergleichbar lockeren, geradlinigen Sound spielten The High Llamas nur auf ihrem Debüt-Album. 2024 legte die Band, acht Jahre nach ihrem letzten Album, mit »Hey Panda« neue Musik vor. Sie erfand sich wieder einmal neu: Nun integrierte O’Hagan R’n’B, Autotune, dezente Hiphop-Beats und zeitgenössische Elektromomente, all dies nach wie vor in stiller, versponnener, kunstsinniger Manier. Mit »Hey Panda« begaben sie The High Llamas schließlich auch wieder auf eine Tournee durch England, Irland, Spanien und Frankreich. Ihre vorhergehende Tour liegt neun Jahre zurück; in Deutschland traten sie zuletzt vor 27 Jahren auf.

Livvy O’Hagan, die Tochter Sean O’Hagans, begleitete die Band zuvor auf ihrer Tour, sang die weiblichen Parts, nahm beim Song »Cookie Bay« den Platz der verstorbenen Stereolab-Sängerin Mary Hansen ein. Livvy O'Hagan jedoch kehrte noch vor dem Konzert in Dijon nach Großbritannien zurück. Nun singt Nina Savary, die gemeinsam mit Julien Gasc im Vorprogramm ruhig-melodische Pop-Chansons vortrug. Die Neubesetzung funktioniert perfekt, Nina Savary singt gemeinsam mit O’Hagan auch »Sisters Friends«, eine Single des neuen Albums – auf »Hey Panda« ist es die britische Songwriterin Rea Morris, die diese Rolle ausfüllt. Zu hören ist dort auch Bonnie »Prince« Billy – der freilich in Dijon nicht mit dabei ist.

Musik aus Leidenschaft

Es zeigt sich, wie gut Sean O’Hagans Musik tatsächlich auf der Bühne funktionieren kann. Man erlebt Musiker, die längst völlig frei von jeder kommerziellen Ambition sind – vor Ort wurde minimale Werbung für das Konzert betrieben; in ganz Dijon findet sich kein Plakat – und die sich konzentriert, mit Leidenschaft in den minimalistischen Reichtum der Arrangements vertiefen.

Sean O’Hagan plaudert freundlich zwischen den Stücken, verrät zum Beispiel, dass »Snowbug« von 1999, von der Kritik verschmäht und auch sonst gerne übersehen, stets sein liebstes Album im Katalog der High Llamas war. Er wechselt zwischen akustischer und elektrischer Gitarre, lässt die E-Gitarre leise flirren bei »Hoops Hooley«, einem verträumt mäandernden Instrumental; er huldigt Dorothy Ashby, der afro-amerikanischen Jazz-Harfenistin der 1960er-Jahre, singt mit zerbrechlich schöner Stimme, lässt Kalifornien oder Hawaii als Kulissen imaginärer Hörfilme entstehen. Und schließlich spielt er auch »Checking In, Checking Out«, den einzigen Hit der High Llamas, von 1992. Nach dem Konzert dann steht dieser eigenwillige Pop-Künstler und versponnene Perfektionist im Foyer des französischen Clubs, plaudert mit seinem Publikum und gibt Autogramme. (GEA)