Wirklich erhellend war, wie die Virtuosen eine Rückbesinnung auf frühes Barock mit einem wichtigen Trend in der tolerant gewordenen zeitgenössischen Musik zu verbinden suchten. Die Arrangements von drei Bicinien des Briten Thomas Morley wirkten mit den subtilen Spieltechniken und Klangnuancen des Duos durchaus modern – und natürlich melodisch. Auch Jakob van Eycks, des blinden Flötisten und Glöckners von Utrecht »Engels Nachtigaltje« wurde in der freien Sopranflöten-Version von Kristina Schoch, was sie immer auch war: Kunst parallel zur Natur.
Aberwitzige Vielfalt
Mit je zwei zeitgenössischen Solowerken ergänzten die Beiden diese Eckpunkte. »Am Rande des Machbaren« verortet der Trompeter den extremen spielerischen High Tech »shining forth«, den ihm Matthias Pintscher 2007 geschaffen hat. Diese Klangerkundungen erinnern in den weichen Passagen schon an die Grenzgänge eines ganz Anderen: Miles Davis. Genauso das in einer Nacht entstandene Stück »Sonare II«, das die kompositorische Rihm-Schülerin und Trompeterin Kathrin Denner ihrem Kollegen gewidmet hat. Auch hier die Bewegung zu mehr Klang und Melodie bei weniger Geräusch und abstrakter Struktur.In Otfried Büsings »Animal Society« verdichtet sich das durchaus unterhaltsam. Er charakterisiert Tiere vom Eisvogel mit der fast unspielbar winzigen Garklein-Flöte über Sopranino und die anderen üblichen Blockflöten bis zum Leviathan-Ungeheuer auf dem Trumm einer Kontrabassflöte. Auch hier Natur, verknüpft mit der aberwitzigen Vielfalt von Kristina Schochs Spieltechniken und Farben. Ryohei Hiroses wunderbare japanische »Meditation« von 1975 war im Charakter schon sehr nah dem Hauptwerk des Abends.
Elefanten und Drosseln
Chinesisches wiederum schimmert auch durch im »Imaginary Garden« von Hope Lee, viel feiner Dialog zwischen Trompete und Flöte, gelegentlich laut, auch über den Raum hinweg, durchaus auch oft an den Rändern zum Geräusch. Ohne jede Hinwendung zu rückwärtiger Tonalität schwebt da doch eine große melodische Farbe und Bildlichkeit über allem, von Elefanten über Drosseln bis zur Biene – Natur eben, aber natürlich nicht als naive Klangmalerei, sondern als fantastische MöglichkeitDie gut zwei Dutzend Zuhörer waren so gebannt und begeistert wie umgekehrt die Virtuosen von der »einmalig knisternden Atmosphäre« mit dem Reutlinger Publikum. (GEA)
