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Zu Gast beim Pop-Yogi

STUTTGART.Diese Bilder sind soo entspannend. Sacht gekräuseltes Wasser, Licht reflektiert darin. Eine Feder, herangezoomt zu maximaler Flauschigkeit. Sternenhimmel. Sonnenstrahlen. Ist es der Yoga-Raum eines esoterisch angehauchten Nobelhotels? Nein, es ist die neue Bühnendeko von James Blunt.

Ja, genau der, dessen Mega-Hit »You're Beautiful« glühend geliebt oder glühend gehasst wird und der sich zwölf Jahre später noch immer an seinem Weichspüler-Image abarbeitet. Das neue Album »The Afterlove«, es ist das fünfte, bringt ihn da durchaus voran. Es pflegt noch die unverstellte Gefühligkeit, hat aber auch neue Einflüsse, ist cooler, elektronischer, tanzbarer und zwischendurch politisch.

Älteres in rockiger Aufbereitung

In Stuttgart war am Donnerstag der Auftakt zu Blunts neuer Deutschland-Tournee. Trotz des neuen Albums startete er mit drei älteren Songs in rockiger Aufbereitung und schützte dann kokett Lampenfieber vor: So ein Tour-Start sei ja immer auch ein Test. Er singe extra viele alte Sachen, quasi sicherheitshalber, man möge bitte mitsingen, »help us along«. Gesagt, getan: Die Schleyerhalle fischerchorte. Dass sich während der gut 90 Minuten Musik doch sieben Stücke vom neuen Album ins Programm schlichen, fanden die rund 7 000 Begeisterten deutlich okay.

Zu verschmerzen war auch die Yoga- Poster-Ästhetik - vor allem, wenn man sich vor Augen führt, was für einen verzwungenen Zirkus Blunt bei der letzten Tour veranstaltet hatte. Damals hieß das Album »Moon Landing«, also stiefelten der falsettanfällige Barde und seine Mannen in silberglänzenden Raumanzügen über die Bühne. Diesmal reduzierte er sich selbst auf Jeans, T-Shirt, Gitarre und Klavier - und tat gut daran.

Gegen Donald Trump

Vielleicht hat er sich die Schlichtheit abgeguckt bei Lieblingskumpel Ed Sheeran, mit dem er jüngst durch die USA tourte (wobei Blunt die Vorgruppe war, was die Stuttgarter Fans in selbstironischen Witzen zu hören bekamen). Sheeran hat auch an zwei neuen Songs mitgeschrieben. Ein anderer wurde vom deutschen DJ Robin Schulz äußerst tanzbar getrimmt. Einflüsse, die das Stammpublikum freudig aufnahm.

Es ist auch bei Blunt nicht alles flauschig. »Someone Singing Along« geht gegen Donald Trump und alle, die mit Vereinfachungen und Hetze Menschen gegeneinander aufbringen. Über die Videowand zogen Bilder zerstörter Städte und verstörter Kinder. Einem Ex-Soldaten nimmt man ein solches Statement ab.

Wenn James Blunt singt und ihn die Kamera in Nahaufnahme riesengroß auf Leinwände bringt, dann sieht man es: Er hat in seiner Inbrunst einen leicht irren Blick. Eigentlich sogar ganz deutlich. Das müsste wirklich jedem aufgefallen sein. Ebenso wie die Tatsache, dass ansonsten an diesem Konzertabend einfach alles stimmte. Vorausgesetzt, man kann Gefühligkeit ertragen. Und Yoga-Poster. (GEA)