TÜBINGEN. »Wir wollen einen Mehrwert für die Zuschauer und das Haus schaffen«, sagt Jochen Gewecke. Der 61-jährige Mössinger ist von Anfang an Vorsitzender des Fördervereins LTT-Freunde. Seit 20 Jahren schaut er mit seinem Team danach, wo sie am Landestheater Tübingen außerhalb des regulären Betriebs etwas bewegen können. Die Bezeichnung »Freunde« ist Gewecke wichtig, denn das Miteinander soll passen und das Engagement Spaß machen. »Die LTT-Freunde helfen immer sehr schnell, wenn‘s mal in kleinen finanziellen Dingen klemmt. Das ist toll«, betont der Intendant Thorsten Weckherlin. Gewecke und Co. unterstützen zum Beispiel Schauspieler bei der Wohnungssuche.
Die LTT-Freunde bieten ihren Mitgliedern Einblicke hinter die Kulissen. Beim Talk »Kulissenklatsch« haben sich neue Schauspieler vorgestellt, und Jörn Klare, der Autor des Stücks »Vom Wert des Leberkäsweckles«, war auch mal zu Gast. Ganz nah erleben, wie Theater gemacht wird, kann man bei Probenbesuchen. Einmal im Jahr veranstalten die LTT-Freunde eine offene Bühne, auf der jeder zeigen kann, was er künstlerisch zu bieten hat. »Wir hatten schon Straßenmusiker, Pianospieler und Zauberer«, sagt Gewecke. Das neueste Projekt ist ein (noch) kleines, aber feines. Ein Ginkgo-Baum wächst im Hof.
Preis der LTT-Freunde
Herausragende Arbeit muss gewürdigt werden: Mit dem »Preis der LTT-Freunde« werden die Lieblingsstücke des Publikums prämiert. »Unsere Jury ist divers«, sagt Gewecke. »Darin sind nicht nur LTT-Freunde, sondern auch Schüler.« Auch die Theatermacher hinter den Kulissen von Regie über Musik, Dramaturgie und Ausstattung kommen hier zu Ehren. Die Ehrennadel aus Altmetall in Form eines Elefanten wurde von der Designerin Karin Hoffmann entworfen. Warum spielt ein Elefant eine wichtige Rolle für das LTT? »Das LTT ist 1978 in eine alte Stuhlfabrik in die Eberhardstraße gezogen. Als ein Zirkus in Tübingen war, kam der Stuhlfabrikant Schäfer auf die Idee, einen Elefanten zu 'bitten', auf vier Stühle zu steigen. Pro Elefantenfuß ein Stuhl. Die vier Stühle hielten«, erzählt Weckherlin. Es gab zeitweise sogar ein eigenes Theater-Bier mit dem Dickhäuter auf dem Etikett – den »Kellerfanten«. Die kleine Ergenzinger Brauerei ist mittlerweile geschlossen, aber dass das Bier in eine zweite Runde geht, schließt Gewecke nicht aus.
Die etwa 100 LTT-Freunde bewegen jedoch nicht nur im Kleinen etwas, sondern haben die Generalsanierung des Theaters vor etwa 14 Jahren ins Rollen gebracht. »Wir wollten ursprünglich nur einen Zuschuss für eine Klimaanlage für das LTT-Oben«, sagt Gewecke. Dafür wurde ein energetisches Gutachten beauftragt. Unverhofft hatte die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt Fördermittel für die Sanierung von öffentlichen Gebäuden ausgeschüttet. 3,5 Millionen Euro gab es. Elektrik, Klimatisierung, Brandschutz - das LTT wurde komplett renoviert. Unter anderem wurden auch neue, barrierefreie Toiletten installiert. Das Thema Barrierefreiheit ist dem Förderverein schließlich ein Anliegen. So haben die Mitglieder Spendengelder in Höhe von 10.000 Euro für eine Induktionsschleife für Menschen mit Hörbehinderung zusammengetrommelt.
Sesselpatenschaft
Gewecke ist gewieft. Wenn er sich etwas in den Kopf setzt, zieht er das auch durch. Zwar wurde der große Saal durch die Fördergelder auf modernen Stand gebracht, damit aber die in die Jahre gekommenen Theatersessel neu gepolstert werden konnten, rief er die »Sesselpatenschaft« ins Leben. Gegen eine Spende von 165 Euro wurde der Name des Spenders in einer schmucken Plakette am Sessel verewigt. Bei 368 Plätzen hat Gewecke sein Marketingwissen spielen lassen. So gab es einen Countdown, wie viele Sessel es noch zu ergattern gab, und als Werbegag Plätzchen in Sesselform. Natürlich genießt auch Gewecke die Theatervorstellungen von seinem individuellen Platz aus. Da er auch Menschen, die an sich nicht theateraffin sind, die »Bretter, die die Welt bedeuten«, näherbringen möchte, hat er ein zusätzliches Abo abgeschlossen und lädt sich ab und zu einen Gast ein. (GEA)