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Werktreu gespielt: Trio Orelon beim Reutlinger Kammermusikzyklus

Einer wahrhaftigen Umsetzung der Werke verpflichtet zeigte sich das Trio Orelon beim Reutlinger Kammermusikzyklus. Dabei kamen ungewöhnliche Klangerzeugungsmethoden zum Einsatz.

Das Trio Orelon zu Besuch beim Reutlinger Kammermusik-Zyklus
Das Trio Orelon zu Besuch beim Reutlinger Kammermusik-Zyklus Foto: Dagmar Varady
Das Trio Orelon zu Besuch beim Reutlinger Kammermusik-Zyklus
Foto: Dagmar Varady

REUTLINGEN. Sich in den Dienst eines Komponisten und dessen Werke zu stellen, sollte für einen Musizierenden das Ideal sein. Die persönliche Note hinzuzufügen, kann man schwerlich umgehen, doch das Hineinversetzen in die jeweilige Epoche, den Künstler und nicht zuletzt das Werk, führt zu einem wahrhaften Ergebnis, und dies ist bewunderungswürdig. Das Trio Orelon hat dies am Dienstagabend im kleinen Saal der Reutlinger Stadthalle in besonderem Maße vorgelebt. Die drei Musiker haben getragen, übertragen, gleichsam als ob sie sich spielen lassen würden.

Da war etwa der Haydn zu Beginn: Dessen Klaviertrio in A-Dur war von einer durchsichtigen, feinen Art durchdrungen. Gestalterisch in bestem Sinne, den Haydn’schen Humor nicht vergessend und auch die kleinsten Dinge mit Besonnenheit und Noblesse aufgreifend.

Von Haydn zu Peteris Vasks

Auch das richtige Gespür für ein sinnvolles Programm war vorhanden. Nach dem altbewährten Haydn das Neuartige, Experimentelle und zum Schluss das Elysische. Da der lettische Komponist Peteris Vasks, welcher nach Haydn einen großen Kontrast darstellt, hierzulande nicht sehr bekannt ist, sprach Judith Stapf (Violine) ein paar erklärende Worte über dessen Werk »Episodi e canto perpetuo«. Der lange Spannungsbogen, der die Sätze umfasst, wurde erwähnt, die Widmung an Messiaen und die Gemeinsamkeit des farbigen Kompositionsstils sowie die mitunter ungewöhnlichen Spieltechniken.

Tatsächlich war jeder Satz eine eigene Persönlichkeit voller Überraschungen, eine »Achterbahnfahrt« (Stapf). Ein Crescendo aus der Stille heraus, aus einer Art unentschlossenen, düsteren Atmosphäre, hinein in das geisterhafte »Misterioso«. Experimentierfreude in Form von Streichen über Klaviersaiten oder ein dumpfes Spielen durch Drücken der Saiten, Bogenwischen über die Streichinstrumente, rhythmisches Klopfen mit dem Bogen gleich einem Schlagwerk, kratzbürstiges Gekratze, scharfe Striche, alles intensiv nachgemalt.

»Gesang« auf den Saiten

Doch auch die wunderschöne Melodie des »Canto«, auf der Geige gesungen von Stapf wie eine auf der Bühne stehende Sängerin, kunstvoll und innig den seelenvollen Arnau Rovira i Bascompte (Violoncello) hinzugewinnend, sodass letztlich alle drei in einer Intensität verbunden waren. Wobei Marco Sanna (Klavier) die beiden »Sänger« behutsam und dann allmählich stärker trug, mit einer unglaublichen Empathie, die man während des gesamten Abends bewundern musste, einem subtilen Gespür für jede Regung der anderen.

Anton Arenskis 1. Klaviertrio als Krönung an den Schluss zu stellen, ist schlau gewählt, strahlt es doch voller traumhafter Melodik und sinnlicher Schönheit. Hier war wieder die reine Art des Musizierens, das Sich-Nicht-Profilieren-Müssen offenkundig, die Inspiration zum Dienen an der Musik. Viel Gespür füreinander ohne übermäßige Körpersprache, gleichsam wie durch ein elektrisches Stromnetz verbunden. Themen voller Wärme, schimmernd, neckisch und kess im Scherzo, intim und entrückt die Totenklage auf den einstigen Cellovirtuosen Dawidow, und im Finale im ganzen Reichtum der Musik vereint. Was wünscht man sich mehr von einem Kammermusikabend! (GEA)