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»Werden wir vergessen?« Große Landesausstellung in Bad Schussenried zum Bauernkrieg

Das Landesmuseum Württemberg erzählt im Kloster Schussenried vom Bauernkrieg vor 500 Jahren. Die Ausstellung »Uffrur!« lebt von Originalexponaten und modernem Storytelling.

Storytelling mit historischen Persönlichkeiten: Margarete Renner (von rechts), Magdalena Scherer, Jerg Ratgeb und Götz von Berli
Storytelling mit historischen Persönlichkeiten: Margarete Renner (von rechts), Magdalena Scherer, Jerg Ratgeb und Götz von Berlichingen. Für die Visualisierung nutzte das Ausstellungsteam auch die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz. Foto: Christoph B. Ströhle
Storytelling mit historischen Persönlichkeiten: Margarete Renner (von rechts), Magdalena Scherer, Jerg Ratgeb und Götz von Berlichingen. Für die Visualisierung nutzte das Ausstellungsteam auch die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz.
Foto: Christoph B. Ströhle

BAD SCHUSSENRIED. »Alle werden noch an uns denken. Noch lange«, sagt ein Namenloser, der sich im deutschen Südwesten am Deutschen Bauernkrieg beteiligt hat. »Oder werden wir vergessen?« Mit solchen Worten holt die Große Landesausstellung »Uffrur! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25« im Kloster Schussenried (Landkreis Biberach) die Besucherinnen und Besucher in die Welt vor 500 Jahren hinein. Der Schauspieler Herbert Knaup, bekannt aus Filmen wie »Schlafes Bruder« und »Lola rennt«, die Kluftingerkrimi-Verfilmungen und die Serie »Die Kanzlei«, gibt dem Aufständischen auf einer Videowand am Ende des Ausstellungsrundgangs Gestalt und Stimme, erinnert daran, dass man den Herren und den Pfaffen einen Schrecken eingejagt habe, »an den sie noch lange denken. So wie wir an unsere Toten«, fährt er in gedämpftem Ton fort. Bei der Niederschlagung der Aufstände durch die Landesherren kamen Schätzungen zufolge mehrere Zehntausend Menschen ums Leben.

Schauspieler Herbert Knaup auf einer Videowand in der Bauernkriegsausstellung »Uffrur!« im Kloster Schussenried.
Schauspieler Herbert Knaup auf einer Videowand in der Bauernkriegsausstellung »Uffrur!« im Kloster Schussenried. Foto: Christoph B. Ströhle
Schauspieler Herbert Knaup auf einer Videowand in der Bauernkriegsausstellung »Uffrur!« im Kloster Schussenried.
Foto: Christoph B. Ströhle

Dem Landesmuseum Württemberg, das die bis 5. Oktober 2025 laufende Ausstellung anlässlich von 500 Jahren Bauernkrieg realisiert hat, geht es darum, anhand von über 150 Originalexponaten - darunter Flugschriften, Bücher, Waffen, Gemälde, Skulpturen und Kleidungsstücke - die Hintergründe und Auswirkungen des Konflikts anschaulich zu machen. Auch, was das für die Menschen der Zeit emotional bedeutete. Das bringen neben Knaup weitere Schauspielerinnen und Schauspieler, die am Bauernkrieg beteiligten Persönlichkeiten ihre Stimme leihen, gut herüber. So kommen historische Figuren wie Jerg Ratgeb, Götz von Berlichingen, Margarete Renner, Sebastian Lotzer und Georg Truchsess von Waldburg, filmisch präsent in Lebensgröße, zu Wort. Allerdings sind sie - außer die von Knaup verkörperte Figur - mithilfe Künstlicher Intelligenz bewusst als Kunstfiguren konzipiert. Ihr Erscheinungsbild lässt deutlich erkennen, dass keine scheinbare historische Korrektheit beabsichtigt ist, sondern das Herausstellen von Charakteristika, und zwar in einer Form, die für heutige Besucherinnen und Besucher gut verständlich ist, wie die Ausstellungskuratoren Marco Veronesi und Ingrid-Sibylle Hoffmann erläutern.

Beitrag zur Erinnerungskultur

»Mit dieser Ausstellung schaffen wir einen Raum für Dialog über Utopie, Widerstand und gesellschaftliche Veränderung. Sie ist ein wesentlicher Beitrag zur Erinnerungskultur unseres Landes«, sagt die Direktorin des Landesmuseums Württemberg, Christina Haak. Patricia Alberth, Geschäftsführerin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, hebt die besondere Bedeutung des Klosters Schussenried als Veranstaltungsort hervor. Das Kloster wurde am 29. März 1525 gebrandschatzt.

Die Ausstellung auf 900 Quadratmetern Fläche zeigt, dass die im Februar 1525 in Memmingen von Bauern um Sebastian Lotzer und Christoph Schappeler verfassten »Zwölf Artikel« in 14 Städten gedruckt wurden, darunter Augsburg, Nürnberg, Konstanz und Straßburg, Erfurt, Breslau und Reutlingen. In diesen Zwölf Artikeln bündelten die Bauern ihre sozialen, wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen und religiösen Forderungen, die sie gegenüber dem Schwäbischen Bund erhoben. Sie gelten nach der Magna Carta von 1215 als eine der ersten niedergeschriebenen Forderungen nach Menschen- und Freiheitsrechten in Europa. So wurde beispielsweise im dritten Artikel die Abschaffung der Leibeigenschaft gefordert.

Bauernkriegsszene aus der »Weißenauer Chronik«.
Bauernkriegsszene aus der »Weißenauer Chronik«. Foto: Christoph B. Ströhle
Bauernkriegsszene aus der »Weißenauer Chronik«.
Foto: Christoph B. Ströhle

Die Forderungen wurden damals auch ins Englische übersetzt und kursierten als »Articles of Almayne« am englischen Königshof, wie ein Fund aus dem britischen Nationalarchiv illustriert. In Herrschaftskreisen sei dort mit Besorgnis auf die Vorgänge in Deutschland geblickt worden, weil man auch auf der Insel eine Bauernrevolte befürchtete, so die Ausstellungsmacher.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Uffrur! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25« ist im Kloster Schussenried bis zum 5. Oktober 2025 zu sehen. Geöffnet ist Dienstag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr. (GEA)

Zu den Highlight-Exponaten zählt die »Weißenauer Chronik«, die einzige bebilderte Chronik des Bauernkriegs der Jahre 1524/25. Der Abt des Prämonstratenserklosters Weißenau nahe Ravensburg, Jakob Murer, gab sie bereits wenige Wochen nach den Ereignissen in Auftrag und führte sie teils eigenhändig aus. Man sieht darin Mönche, die fluchtartig das Kloster verlassen; wie die Weißenauer Bauern mit ihrem Herrn, dem Abt, verhandeln und einen Ausgleich finden - was sie nicht daran hindert, sich am nächsten Tag dem auf Konfrontationskurs befindlichen Baltringer Haufen anzuschließen. Man sieht ihren Anführer Stefan Rahl zu ihnen sprechen; wie sie das Kloster plündern, bei Weingarten den adligen Truppen gegenüberstehen - und am Ende, nachdem sie ihre Waffen abgegeben haben, ihrem Herrn wieder huldigen. Murer wird in der Ausstellung als einer vorgestellt, der Verständnis für die Bauernschaft zeigte, aber die alte Ordnung verteidigte.

Die Ausstellung dokumentiert, wie der Krisenmanager der habsburgischen Regierung in Württemberg, Rudolf von Ehingen, die Regierung in Tübingen über die militärische Lage und geplante Truppenverstärkungen in Kenntnis setzte. Manche Wörter waren dabei durch Geheimzeichen oder Chiffren ersetzt. In einem Dokument vom 18. März 1525 drückt sich in den Worten des Stadtschreibers von Urach an den Vogt von Kirchheim Sorge aus. Die von Münsingen, Auingen, Bettingen und Mehrstetten seien abgefallen und zu den Bauern gezogen. Sie würden überall dazu auffordern, Sturm anzuschlagen und sich ihnen anzuschließen.

Waffen, wie sie im Bauernkrieg zum Einsatz kamen.
Waffen, wie sie im Bauernkrieg zum Einsatz kamen. Foto: Christoph B. Ströhle
Waffen, wie sie im Bauernkrieg zum Einsatz kamen.
Foto: Christoph B. Ströhle

Die Ausstellung gibt auch Auskunft über das weitere Schicksal der Aufständischen. Margarete Renner, eine unbeugsame Bäuerin aus Böckingen, die jahrelang vergebens gegen das Unrecht ihrer Herren klagte, bis sie schließlich zu extremeren Mitteln griff, wurde gefangengesetzt und auf Fürsprache ihres Leibherren wieder freigelassen. Der Maler Jerg Ratgeb wurde auf der Flucht gefangen, des Verrats und Aufruhrs angeklagt und 1526 durch Vierteilung hingerichtet. Der fränkische Ritter Götz von Berlichingen wurde angeklagt und 1526 freigesprochen. 1528 wurde er gefangengesetzt und später zehn Jahre unter Hausarrest gestellt. Georg Truchsess von Waldburg (»Bauernjörg«) wurde für die Niederschlagung des Aufstands mit Titel und Ländereien belohnt. Er machte Karriere als Gefolgsmann des Hauses Habsburg bis zu seinem Tod 1531.

Schauplatz der Ausstellung »Uffrur!«: Das Kloster Schussenried.
Schauplatz der Ausstellung »Uffrur!«: Das Kloster Schussenried. Foto: Christoph B. Ströhle
Schauplatz der Ausstellung »Uffrur!«: Das Kloster Schussenried.
Foto: Christoph B. Ströhle

Teile der »Zwölf Artikel« wurden Wirklichkeit. So einigten sich im Renchener Vertrag die Ortenauer Aufständischen vertraglich mit ihren Herrn, darunter Philipp I. von Baden, bei Punkten wie der Pfarrerwahl, der Freizügigkeit und der Heiratsfreiheit. Ob solche Abmachungen das Leben tatsächlich spürbar verbesserten, müsse noch erforscht werden, heißt es in der Schau. (GEA)