REUTLINGEN. Zum Horn hatte er eine enge Beziehung, der Komponist Johannes Brahms. Nicht nur, dass er es in jungen Jahren selbst spielte – auch in seinen Werken betraute er es mit besonderen Aufgaben, sei es mit dem schwärmerischen Beginn des zweiten Klavierkonzerts, dem markigen Weckruf im Finale der ersten Symphonie oder im rasanten Finale des Es-Dur-Trios für Violine, Horn und Klavier, das nun das Trio Wick beim Reutlinger Kammermusikzyklus überzeugend zu Gehör brachte.
Hierbei waren alle drei Instrumentalisten gleichermaßen gefordert, denn neben dem Horn-Part gilt es, die anspruchsvolle Geigenstimme und den komplex geschichteten Klavierpart zu gestalten. Wobei sich das Trio Wiek als gut miteinander verflochtenes Ensemble erwies, das den mitreißenden Schwung des Finales genauso auf den Punkt brachte wie im Satz zuvor die in ihrem emotionalen Tiefgang ausgelotete es-Moll-Elegie.
Ausgeprägte Pianokultur
Hornist Christian Lampert verstand es, die Stimmungen plastisch nachzuzeichnen und hörbar zu machen. Sein Phrasierungskonzept war sinnfällig ausgearbeitet. Die weiche Tongebung und die ausgeprägte Pianokultur kamen der Komposition ebenso zustatten wie die detailgenau ausgeführten Verzierungen.
Schade, dass er sich zum Einstieg die eher sperrige Bearbeitung eines im Programmheft nicht näher genannten Arrangeurs von Robert Schumanns Romanzen op. 94 ausgesucht hatte. Im Original sind sie für Oboe. Einmal davon abgesehen, dass das Horn nicht die Höhe einer Oboe und diese wiederum nicht die Tiefe des Horns erreicht, war auch einem so versierten Hornisten wie Lampert anzumerken, dass diese drei Stücke in solch einer Fassung bräsiger tönen als in ihrer zarten ursprünglichen Gestalt. Zumal deren eher kleinzellige Motivik auf dem Horn auch nicht so geschmeidig phrasiert werden kann wie auf der Oboe. Probleme, die der mit sensibler Eleganz agierende Pianist Florian Wiek nicht hatte.
Zu Unrecht vernachlässigt
Ein Originalwerk wie die »Vier kleinen Stücke« für Klavier, Violine und Horn von Charles Koechlin erwies sich für Lampert naturgemäß als dankbarer mit den apart ineinander geschichteten Klangfarben-Linien der drei Instrumente, die vom Trio Wiek in feiner Abstimmung erklangen. Noch um 1900 als Studienwerk aus der Klasse von Gabriel Fauré entstanden, bei dem der heute zu Unrecht vernachlässigte Komponist gemeinsam mit Ravel studierte, gefallen diese Miniaturen, wenn sie so stimmig ausmusiziert werden, wie jetzt geschehen. Seine späteren Stücke faszinieren durch ihre Polystilistik, die in keine Schublade passen wollen. Wer noch mehr Koechlin hören möchte: Am 30. Juni spielt die Württembergische Philharmonie sein »Au loin« op. 20.
Insgesamt betrachtet, waren die dargebotenen Stücke, von Brahms‘ dritter Violinsonate op. 108 einmal abgesehen, eher seltene Gäste in unseren Konzertsälen, wiewohl es sich durchweg um Bekenntniswerke ihrer Komponisten handelte und Einblicke in die tiefen Wahrheiten ihrer Seele gewährten. So auch Clara Schumanns »Drei Romanzen« op. 22, die einer sehr intimen, geradezu in sich gekehrten Musizierweise bedürfen. Was die Violinistin Anke Dill und Florian Wiek am Klavier mit zurückhaltend dosierter Süße, weit gespannten Ausdrucksbögen und charmantem Schwung im Finalsatz umsetzten.
Brahms' d-Moll-Sonate
Die strukturelle Verzahnung der beiden Instrumentalstimmen ließ die Seelenverwandtschaft zwischen Clara Schumann und Johannes Brahms deutlich werden, dessen d-Moll-Sonate eines dramatischen Zugriffs bedarf. Anke Dill und Florian Wiek vermochten es, die Klüfte aufzureißen, Abgründe zu eröffnen, sprunghafte Energie freizusetzen. Wiewohl sich auch die zarte Liedhaftigkeit des von der Violine vorgetragenen Hauptthemas im Andante entfalten konnte. Genauso wurde das Scherzo expressiv durchdrungen. Feuriger Schwung beschloss dieses leidenschaftliche Werk, wofür herzlich applaudiert worden ist. (GEA)