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Von wegen die Schwerkraft: PeterLicht im Reutlinger franz.K

Der Musiker, Autor und Theatermann PeterLicht hob im franz.K ganz lässig die Welt aus den Angeln.

Der Mann mit der Spielzeuggitarre: PeterLicht.
Der Mann mit der Spielzeuggitarre: PeterLicht. Foto: Thomas Morawitzky
Der Mann mit der Spielzeuggitarre: PeterLicht.
Foto: Thomas Morawitzky

REUTLINGEN. Man stelle sich vor, er wäre einfach so gestorben. Wer? Der Kapitalismus. Der alte Schlingel, so nennt PeterLicht jene altvertraute Gesellschaftsordnung, bei der die Produktionsmittel in den Händen weniger liegen. PeterLicht singt sein Lied vom Ende des Kapitalismus fröhlich wie ein Kinderlied, und alle singen mit: »Weißt du noch, wir regelten unsere Dinge über Geld. Vorbei, vorbei.«

PeterLicht wirkt noch sehr jugendlich, so wie er mit Schirmmütze frisch und frech über die Bühne des franz.K tänzelt am Freitagabend. 25 Jahre sind vergangen, seit er erste Songs veröffentlichte, unter seinem bürgerlichen Namen Meinrad Jungblut. Er ist Autor, Performer, Songwriter, Theatermann. Er begann früh, Bücher und Theaterstücke zu schreiben, er steht seit 2006 als Musiker auf der Bühne. Sein Text »Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends« erhielt 2007 den Publikumspreis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs. Als Bühnenstück wurde er 2015 am LTT in Tübingen aufgeführt. PeterLicht stammt aus Köln, sein Geburtsdatum verrät er nicht, bei manchen Lesungen ließ er sich nur von hinten filmen. Und wie jeder große Humorist meint er es todernst. Zum Beispiel, wenn er singt: »Alles ist Käse – und du bist der Käsemann.«

Klein aber gefährlich

PeterLicht hat ein neues Album veröffentlicht. »Alles klar« erschien im Oktober. Benedikt Filleböck, eine Hälfte des Kölner Indie-Pop-Duos Wolke, ist sein Bühnenbegleiter. Filleböck agiert zurückhaltend an diversen Instrumenten, auch PeterLicht selbst setzt sich musikalisch sparsam in Szene. Dafür umso wirkungsvoller. Er ist ein geborener Performer, der lässig über die Bühne springt und dabei immer weiß, was er tut. Gelegentlich vertauscht er seine Akustische mit einer E-Gitarre, klein, eckig, als wäre sie für eine besonders große Playmobil-Figur gebaut. Er entwürgt ihr ein paar schrille Töne und grätscht, als sei er der haarige Supergitarrist einer Stadionrockband und nicht der schlaue kleine Liedermacher, der die Welt mit viel weniger auf den Kopf zu stellen versteht. Eines seiner Stücke heißt »Das Lied gegen die Schwerkraft«: »Die Schwerkraft wird überbewertet / man braucht sie gar nicht / wie man im Weltraum sieht / und die Sonne / kocht auch nur mit Wasser / die soll sich nicht so aufspielen / die gelbe Sau.«

Tatsächlich meint der Konzertbesucher zu spüren, wie während des Konzerts die Schwerkraft an Macht zu verlieren beginnt. PeterLicht bringt sein Publikum dazu, Worte nachzusingen, die Dieter Hundt, ehemaliger Präsident der deutschen Arbeitgeberverbände, von sich gab: »Die Arbeitgeberverbände befürworten Benimmunterricht an den Schulen. Schulabgängern fehlt oft die Kenntnis einfacher Regeln des Zusammenlebens.« Ein textliches Ready Made, das viel sagt und zum Weinen komisch ist, wenn die Besucher es brav zur Melodie der E-Gitarre intonieren.

Wer wem was schuldet

PeterLicht kann all das auf famose Weise. Er kann gefundene Worte in einen Text verwandeln, kann ihnen Vieldeutigkeit verleihen, seine Musik auf minimalistische Reste reduzieren und dennoch perfekt klingen lassen. Er hat Klavierballaden und flott federnde Indie-Pop-Songs im Repertoire. Er kann vom Leben singen, ohne weinerlich zu werden. Er bringt sein Publikum dazu, laut aufzulachen und zu tanzen. Und PeterLicht drückt aus, fern von jeglichem Pathos, klar und genau, was mehr als nur eine junge Generation empfand: »Wir schulden euch nichts. Ihr schuldet uns die Welt. Gebt sie uns zurück.« (GEA)