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Von Elben, Lichtbäumen und besonderen Fiedeln: Die WPR in der Reutlinger Stadthalle

Mythische Motive und Klänge aus Mittelerde prägten das sechste Kaleidoskopkonzert der Württembergischen Philharmonie Reutlingen in dieser Saison.

Ragnhild Hemsing mit ihrer Hardangerfiedel beim Kaleidoskopkonzert der WPR.
Ragnhild Hemsing mit ihrer Hardangerfiedel beim Kaleidoskopkonzert der WPR. Foto: Dagmar Varady
Ragnhild Hemsing mit ihrer Hardangerfiedel beim Kaleidoskopkonzert der WPR.
Foto: Dagmar Varady

REUTLINGEN. In eine fremde Welt einzutauchen, die voller magischer und mythischer Symbole steckt, ist für uns Menschen ein willkommener Zufluchtsort. Ein fremder, fesselnder, noch zu erkundender Ort, an dem wir unsere alltäglichen Dinge außen vor lassen und kindlich verwurzelte Fantasien bestätigt finden. J. R. R. Tolkien hat mit Mittelerde seine eigene Fantasiewelt geschaffen. Im Bereich der Musik wurde dies nur zu gerne aufgegriffen. Auch die Württembergische Philharmonie Reutlingen (WPR) hat sich im sechsten Kaleidoskopkonzert am Donnerstagabend von »Klängen aus Mittelerde« beflügeln lassen.

Jeder Konzertteil wurde mit Teilen der Filmmusik zu »Lord of the Rings« von Howard Shore (als Suite arrangiert von John Whitney) eingeleitet. Von inneren Bildern überflutet wurden vermutlich viele, denn der große Saal der Reutlinger Stadthalle war beinahe vollständig ausgefüllt, und das überdies mit reichlich jüngeren Menschen. Hier wurde im Klang gebadet, die Vielfalt der Szenenwechsel genussvoll ausgekostet, sodass man zu Beginn gleichsam nach Mittelerde geworfen wurde.

Feuergeist und Goldregen

Ihren Ursprung hat die Reise jedoch in Tolkiens »Silmarillion«, wo der Autor die Vorgeschichte zu »Herr der Ringe« ausbreitet und allerhand mythische und märchenhafte Symbolik floriert. Um sich noch gründlicher in die Welt der Elben und fantastischen Gestalten versinken zu lassen, war David Liske gewonnen worden, der Auszüge aus dem Buch las. Mit kräftiger und klarer Aussprache erzählte er über das Erwachen der Elben, ergänzt durch eine Fülle an Namen. Auch die Erschaffung von Mond und Sonne aus erretteten Zweigen von zwei Bäumen und die Geschichte von Feanor, der drei Edelsteine aus dem Licht der Bäume schuf, wurden heraufbeschworen.

Der anwesende norwegische Komponist Martin Romberg hat hierzu sinfonische Dichtungen erschaffen, »Quendi, Telperion and Laurelin und Fëanor«, die in diesem Konzert erstmals als Zyklus erklangen. Romberg gelingt es, diese sagenumwobene Atmosphäre zu erzeugen, Bilder zu erwecken und die vorgelesenen Texte in ansprechende und erquickende Musik zu verpacken. Chefdirigentin Ariane Matiakh ging hier mit ihren Musikern regelrecht auf Stimmungsfang. Jede noch so kleine Geste musste stehen, wurde behutsam oder lebhaft aufgespürt. Immer wieder glitzerten solistische Partien einzelner Orchestermitglieder auf, fein ausgearbeitet und intensiv gespürt. Und bis in die späteste Ecke des Konzertabends waren pure Konzentration und Präsenz wahrzunehmen.

Die verzaubernde Hardangerfiedel

Das große Highlight indes war Ragnhild Hemsings Auftritt, und das nicht nur aufgrund ihres zart wallenden Kleides, welches an sich schon eine Augenweide war. Mit Teilen aus Edvard Griegs »Peer Gynt«-Suite war man zwar nicht mehr in Mittelerde verortet, doch in Fantasiewelten Norwegens allemal. Hemsings Besonderheit ist die Hardangerfiedel, eine aus der norwegischen Folklore stammende Geigenart. Eine Bearbeitung von Tormod Tvete Vik für dieses aparte Instrument war zu hören. Und welch ein Wunder war das: Sogleich ab dem ersten Ansatz des Bogens war man verzaubert. Durch die Verstärkung des Mikrofons kam der warme und dunklere Klang zum Tragen, manchmal gar ähnlich einer Mundharmonika. Die Vielfalt an Schattierungen, Verzierungen und Nuancen sprudelten nur so aus Hemsing heraus, und zwar aus ihrem Innersten. Hier war nichts starr, notenstarr, sondern flexibel, aus dem Moment und dem Gefühl geboren, und auch dank der enormen Zugewandtheit zum Orchester entstand dieser einzigartige Charme, dieser Zauber. Auch mit ihrer »normalen« Geige war diese Flexibilität und sanfte Energie und Strahlkraft zu spüren.

Und genau dies knüpft an Matiakh und ihre vortrefflichen Musiker der WPR an, welche mit ihrer Flexibilität und Aufgeschlossenheit immer wieder neue Wege beschreiten und klassische Musik vielen unterschiedlichen Menschen erschließen. (GEA)