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Aktuell Interview

Visionen für eine bessere Welt: Pippo Pollina vor Auftritt im franz.K

Seine Lieder sind voller Poesie, aber seine Botschaft ist klar: Man müsse sich wehren gegen die Rechtspopulisten, die derzeit in vielen Ländern mit ihren mafiösen Methoden die Regierungsbänke belagern, sagt der italienische Liedermacher Pippo Pollina vor seinem Auftritt im franz.K.

Pippo Pollina beim Benefizkonzert für die Weltfrauenkonferenz 2022 im Sudhaus.
Pippo Pollina beim Benefizkonzert für die Weltfrauenkonferenz 2022 im Sudhaus. Foto: Foto: pr
Pippo Pollina beim Benefizkonzert für die Weltfrauenkonferenz 2022 im Sudhaus.
Foto: Foto: pr

REUTLINGEN/ZÜRICH. In Sizilien aufgewachsen, studierte Pippo Pollina zunächst Jura und engagierte sich als Journalist im Kampf gegen die Mafia. Als sein Chefredakteur Giuseppe Fava von der Mafia ermordet wurde, brach Pollina sein Studium und seine journalistische Arbeit ab und streifte als Straßenmusiker durch Europa. Nachdem ihn in der Schweiz Linard Bardill entdeckte, legte Pollina eine erfolgreiche Karriere als Liedermacher hin, arbeitete mit vielen Kollegen zusammen, so auch mit Konstantin Wecker. Auf seiner aktuellen Tour kehrt er in die kleinen Clubs zurück, in denen er als Künstler groß geworden ist – am 9. Mai auch ins franz.K.

GEA: Herr Pollina, in Ihrem aktuellen Programm blicken Sie auf Ihr Leben zurück. Wie war Ihre Kindheit?

Pippo Pollina: Meine Kindheit war eine ganz normale Kindheit. Ich bin in Sizilien in Palermo aufgewachsen, in einem Viertel, in dem ganz viele Kinder waren. Da hat man sich immer auf der Straße getroffen, hat dort gespielt, es war eine ruhige Kindheit. Da meine Familie ursprünglich eine Bauernfamilie war, bin ich auch immer wieder zu meinen Großeltern aufs Land gefahren, die dort eine Landwirtschaft betrieben.

»Man hat sich auf der Straße getroffen und gespielt in unserem Viertel, es war eine ruhige Kindheit«

Sie leben in der Schweiz, sind als Musiker viel im deutschsprachigen Raum unterwegs. Was verbindet Sie noch mit Sizilien?

Pollina: Zu Sizilien habe ich immer noch eine große Verbindung. Obwohl ich seit 35 Jahren nicht mehr dort lebe, habe ich die Beziehung zu meiner Heimat immer gepflegt. Drei, vier Mal bin ich jedes Jahr dort, die Beziehung ist intensiv geblieben, zu meinen Freunden dort aus früheren Zeiten, zu meiner Familie natürlich. Diese Liebe und Verbindung zu Sizilien durfte ich auch an meine Kinder weitergeben.

In Ihren Liedern besingen Sie die Utopie eines Miteinanders in Solidarität und Toleranz. Sehen Sie dafür in einer Welt, in der rechtsextreme Bewegungen immer stärker an Einfluss gewinnen, überhaupt noch eine Chance?

Pollina: Wir müssen diese Chance nützen! Man muss sich einsetzen und kämpfen, dass diese Rechtsextremisten in die Schranken gewiesen werden. Es liegt an uns! Wir müssen den Mund aufmachen, müssen uns einsetzen für die Demokratie, jeder auf seiner Position: in der Kunst, in der Familie, an den Arbeitsplätzen, in der Schule. Überall muss die Debatte für die Demokratie und die Solidarität wieder zentral werden! Deshalb wird auch mein Programm im nächsten Jahr wieder ziemlich politisch werden. In der heutigen Situation muss man als Künstler einfach eine klare Position beziehen.

»In der heutigen Situation muss man als Künstler einfach eine klare Position beziehen«

In Italien regieren die postfaschistischen Fratelli d‘Italia von Giorgia Meloni und die Rechtspopulisten der Lega von Matteo Salvini. Haben sich Ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet?

Pollina: Ja, das ist natürlich ein wichtiges Thema. Italien wird im Moment von den neuen Faschisten regiert. Diese Regierung ist eine Niederlage für Italien. Es ist eine kritische Zeit in der ganzen Welt. Zum Teil auch eine Überraschung, weil wir in der sogenannten größten Demokratie der Welt, den USA, eine riesige Identitätskrise erleben. Das wiederum spiegelt sich im Rest der Welt. Ich bin voller Hoffnung, dass in Italien die Regierung von Giorgia Meloni bei der nächsten Wahl nicht mehr die Mehrheit bekommen wird, weil die Effekte ihrer desaströsen Politik schon spürbar sind. Und ich hoffe fest, dass in der Zwischenzeit eine Alternative dafür aufgebaut wird.

»Die derzeitige Regierung ist eine Niederlage für Italien. Es ist eine kritische Zeit in der ganzen Welt«

Ihre Anfänge hatten Sie als Journalist in der Anti-Mafia-Bewegung. Inzwischen hat man das Gefühl, dass die Mafia mit Leuten wie Donald Trump oder Wladimir Putin in den Regierungszentralen angekommen ist …

Pollina: Absolut, die mafiöse Attitüde charakterisiert inzwischen sogar Regierungen! Ich glaube, wir haben in der modernen Epoche noch nie eine solche Reihe von Kriminellen und Pseudokriminellen auf den Regierungsbänken erlebt wie heute. Wenn man an Trump denkt, wenn man an Putin denkt, an Netanjahu, wenn man an Milei in Argentinien denkt, an Orbán in Ungarn, Meloni in Italien und so weiter – da kann man fast Magenschmerzen bekommen! Es ist höchste Zeit, eine politische Alternative dafür aufzubauen. Denn die Methoden dieser Leute, die derzeit an der Macht sind, sind eindeutig kriminell und mafiös. Meine Hoffnung ist, dass die Menschen, die sich zuletzt von der Demokratie zurückgezogen haben, wieder an die Urnen treten und ihre Meinung kundtun. Das sind genau die dreißig, vierzig Prozent, die zuletzt abwesend gewesen sind. Die können den großen Unterschied ausmachen.

Die Rechtspopulisten setzen auf die Angst der Menschen, die Angst vor sozialem Abstieg, vor Veränderung, vor dem Fremden. Was setzen Sie dem als Musiker entgegen? Poesie?

Pollina: Nicht nur Poesie, wir Künstler müssen Visionen geben von einer besseren Welt für alle. Aber die Politik muss ganz klar eine zentrale Rolle spielen. Wir brauchen auch eine politische Vision, das ist wichtig. Die Poesie kann ein fantastisches Mittel sein, um diese Vision zu vermitteln und zu verbreiten. Aber die Poesie und die Kunst können nicht die Politik ersetzen. Deshalb müssen beide Seiten in Einklang gebracht werden und parallel ihre Wirkung entfalten. Die Künstler können natürlich in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen.

»Wir Künstler müssen Visionen geben von einer besseren Welt für alle«

Sie haben schon in großen Hallen und Arenen gespielt. Ihre jetzige Tour spielen Sie in kleinen Clubs wie dem franz.K. Warum?

Pollina: Ich bin in der Kleinkunstszene aufgewachsen und bin dieser Szene treu geblieben. Ohne die Engagements bei diesen kleinen Veranstaltern, die mit so viel Idealismus geführt werden, hätte ich mit meiner Kunst nie überleben können. Daher komme ich immer wieder gerne auf diese kleinen Bühnen zurück, die im Übrigen auch sehr professionell sind.

Bedauern Sie manchmal, nicht Journalist geblieben, sondern Musiker geworden zu sein?

Pollina: Nein, ich bedaure nicht, dass ich nicht mehr Journalist bin. Musik ist etwas Wunderbares, mit ihr kann ich nicht nur Fakten referieren oder politisch analysieren, sondern ich kann auf einer emotionalen Ebene agieren. Das ist eine Qualität der Kunst, die der Journalismus in dem Maße nicht haben kann. Nein, ich habe es nicht bereut und bin glücklich, dass ich diesen Weg gegangen und Musiker geworden bin. Weil es für mich die kongeniale Art ist, mich auszudrücken. (GEA)

Pippo Pollina solo: 9. Mai, 20 Uhr, franz.K, Reutlingen