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Vier viel zu enge Kleider

STUTTGART. Mögen Sie Barbara Schöneberger? Ja? Na klar, so geht’s uns doch allen. Das blonde Lästermaul, Deutschlands beliebteste Moderatorin, eine ironisch zu Markte getragene Shapewear-Leistungsschau auf zwei Beinen. Wer möchte nicht mal einen lustigen Abend mit ihr verbringen? Dazu gibt es in den kommenden Wochen ein paar Gelegenheiten: Die Schöneberger startete am Mittwoch in Stuttgart ihre Deutschlandtournee, bei der sie als Sängerin ihr drittes Album »Bekannt aus Funk und Fernsehen« vorstellt.

Die Schöneberger ruft, und der große Beethoven-Saal der Liederhalle füllt sich mit Menschen des mittleren bis oberen Alterssegments, von denen man schon weiß, dass sie für Standing Ovations aufspringen werden, weil sie die Dame so mögen.

Etwa zwei Stunden Programm werden es am Ende sein. Wenn man dann noch die Nächstes-zu-enges-Kleid-Umkleide-Unterbrechungen abzieht, die Moderationen und Quasseleinlagen, füllt der Gesang höchstens die Hälfte der Bühnenzeit.

Aber lüften wir mal ein Geheimnis, das gar keines ist: Vielleicht ist die Gewichtung kein Zufall, sondern gut so? Wie alle wissen, ist Barbara Schöneberger gar keine Sängerin, sondern ein Allround-Medienwunder, das singen kann.

Ihr neues Album spielt ähnliche Trümpfe aus wie die beiden Vorgänger »Jetzt singt sie auch noch« und »Nochmal, nur anders«: Ironische Titel machen überdeutlich, dass hier die Texte eine Schlüsselrolle spielen. Texte, die für Schönebergers Image maßgeschneidert werden. Männer kommen selten gut weg. Es begann 2007 mit »Männer muss man loben«, da hieß es »danke für die Blumen von der Tanke«. Heute dreht es sich, passend zu Schönebergers fortgeschrittener Biografie, um den im Ehealltag verfettenden Gatten »Mein Mann der Wal«. Kind und Schwiegermutter werden ebenfalls erwähnt. Unverblümt geht es um Sex, dessen Dauer (»Zwei Minuten«) und die physischen Details (»Gibt’s das auch in groß?«).

Ebenfalls mit dabei: eine Huldigung des Magnum-Barts in »Schuld war nur dein Oliba« und ein Eintopf alter Werbeslogans in »Herr Kaiser«.

Sie thematisiert sich selbst

So weit, so unterhaltsam. Unterhaltsam ist natürlich auch das, was Barbara Schöneberger zwischendurch von sich gibt. »Heute können Sie nicht umschalten, wenn Sie mich sehen«, heißt es in der Begrüßung. Muttersein ist toll, verrät sie später, schlimm seien nur die anderen Mütter. In vielen Variationen thematisiert sie sich selbst, Kosmetik-Aufwand, Schlupflider, Oberarme, Hängebrüste, immer drollig, bringt Sympathien.

Zwischendurch covert sie fremde Songs: als musikalisch gelungenste Nummer des Abends die 1980er-Erinnerung »Black Velvet« und mit »Don’t leave me this way« auch noch einen musikalischen Gruß an ihren großen schwulen Fanclub.

Besonders gruselig war ein regionaler Überraschungsgast: PUR-Sänger Hartmut Engler stimmte »Lena« an, das Publikum klatschte mit, aber man fragt sich doch: Wie kommt Spitzzunge Schöneberger ausgerechnet zu diesem Breitwand-Pathos-Schlonz?

Klammern wir einmal alle Text-, Humor- und Sympathie-Aspekte aus und fokussieren wir auf die Musik. Die Band ist solide, die Musik auch – aber nichts davon ist hinreißend. Die Kompositionen mixen Pop mit Jazz, Klezmer, Bossa nova. Dahinter steht ein neues Produzententeam, deshalb klingen die aktuellen Nummern nimmer nach Frank Ramond, der auch Annett Louisan und Ina Müller versorgt. So weit, so nett.

Ein Urteil, das leider auch für den Gesang gilt: Vermutlich war Barbara Schöneberger am Mittwoch erstens nervös und zweitens ein bisschen heiser, zumindest klang das beim Sprechen so. Gesanglich ist sie, nun ja, unspektakulär. Glatt und gefällig singt sie, etwas farblos und mit wenigen Nuancen. Die Stimme klingt eher natürlich als ausgebildet, in hohen Lagen hat sie echte Probleme, und mit dem Intonieren klappt es live auch nicht so. Da hat manche Tanzband-Röhre beim Vereinsfest schon mehr hergemacht und rübergebracht.

Aber: alles egal. Wir lieben sie, auch nach diesem Abend. Sie hat uns bestens unterhalten, und die Standing Ovations waren ihr eh so sicher wie das Amen in der Kirche. (GEA)