TÜBINGEN. Die Meere füllen sich mit Plastik, das globale Klima entgleist, doch im Alltag blendet man diese Fakten gerne aus. Der Pfäffinger Künstler Andreas Hoffmann holt sie in seiner aktuellen Ausstellung in der Sudhaus-Peripherie zurück. Durch ein trickreiches Verfahren namens Linsenrastertechnik überlagert er mehrere Motive – der Mensch und das von ihm verursachte Desaster schieben sich im Wortsinne ineinander. Je nachdem, aus welchem Winkel man hinschaut, taucht das eine oder das andere Motiv auf – oder mehrere überblenden sich.
Das Prinzip kennt man von Effekt-Grußkarten: Der Eindruck von Räumlichkeit lässt sich so erzeugen, auch Bewegung, je nachdem, was für Motive man unter die Linsenrasterfolie packt. Darauf kommt es Hoffmann nicht an. Er nutzt die Technik, um Sphären sich durchdringen zu lassen, die im Alltag scheinbar getrennt, in Wirklichkeit aber doch verbunden sind. So wie der Mensch und die von ihm verursachten Umweltkrisen.
Körper, Meer und Flaschen
So überblendet er beispielsweise Fotografien eines nackten menschlichen Körpers, des Meeres und Bergen von Plastikflaschen mit dem Linsenraster. Es ist dabei immer Hoffmanns eigener Körper, den man je nach Blickwinkel im blauen Meerwasser oder in Plastikbergen versinken und wieder auftauchen sieht. Das tiefblaue Meer hat er bei einem Aufenthalt in Thailand aufgenommen. Dort werde im Übrigen tatsächlich täglich Plastikmüll angeschwemmt, bestätigt er.
Auf einem anderen Bild sieht man aus einem bestimmten Winkel einen vertrockneten Steppenboden unterm glühenden Sonnenball. Bewegt man sich ein Stück weiter, taucht aus dem rissig-braunen Lehm der Körper des Künstlers auf, liegend wie ein Verdurstender.
Der Pfäffinger Hoffmann, der früher in Reutlingen lebte und in Eningen sein Atelier hatte, kommt von der Performance her. Mithilfe der Linsenrastertechnik hat er die bewegte Aktion ins Bild verlegt. Zwar bewegt sich seine Gestalt im Bild nicht, aber das Bild als Ganzes ist in Bewegung, weil immer wieder andere Motive auftauchen oder verschwinden. Dafür muss sich der Betrachter vor dem Bild bewegen – und wird somit zum Teil der Performance. Am Eindrücklichsten passiert das bei einer Bodenarbeit, die sich kreisförmig rund um die zentrale Säule des hohen Saals mit seinem Altindustrieflair zieht. Auch hier Meer, Flaschen, Fragmente des Künstlerkörpers – was sich mischt und brodelt, wenn der Betrachter die Arbeit umkreist.
Aus »Kacheln« kombiniert
Die größeren Arbeiten setzen sich jeweils aus einer Anzahl von »Kacheln« zusammen. Was zunächst praktische Gründe hatte, weil ein Rasterlinsenbild im Großformat enorm aufwendig und kostspielig ist, wie Hoffmann erläutert. Das Zusammensetzen der Großformate aus Kacheln lag jedoch ohnehin in der Logik, weil es Hoffmann darum ging, das Gesamtbild in ein Neben- und Übereinander verschiedener Facetten aufzubrechen.
Ausstellungsinfo
Die Ausstellung »Transformation« mit Bildern in Linsenrastertechnik von Andreas Hoffmann ist bis 18. Juli in der Galerie in der Sudhaus-Peripherie zu sehen, Donnerstag bis Sonntag 17 bis 20 Uhr, an Feiertagen geschlossen. (GEA)
www.sudhaus-tuebingen.de
Hoffmann bezieht das nicht nur auf die Öko-Thematik. Im frühesten so entstandenen Werk stellt er seinem jetzigen Ich sein um 30 Jahre jüngeres Selbst gegenüber. Nackt stehen sich beide gegenüber und blicken sich in die Augen. Hier wie in den anderen Bildern hat die Nacktheit für Hoffmann nichts mit Erotik zu tun, sondern ist Ausdruck der menschlichen Verletzlichkeit. Ausdruck auch dafür, dass es um existenzielle Dinge geht. Hier um Vergänglichkeit und die Frage, wer man war und wer man ist. Auch hier überlagern weitere Motive das ungleich-gleiche Künstlerpaar. Je nach Standpunkt tauchen Magnolienknospen auf als Symbol der Geburt oder die Haut des heute 65-Jährigen als Bild für die Spuren der Zeit.
Michael Kessler zog in seiner Einführung bei der Vernissage das Fazit: »Es gibt eine elementare Verflochtenheit von allem mit allem.« Dieser spüre Hoffmann in seinen Bildern nach. Das muss nicht immer aufrüttelnd daherkommen. Auf einem Großformat turnt eine Gestalt mit Papageienhaube – natürlich wieder Hoffmann selbst – in zigfacher Ausfertigung durch ein Wolkenkuckucksheim. Der Mensch als Wesen, das papageienhaft anderen nachplappert und am liebsten durch den eigenen Wolkenhimmel turnt – Hoffmann hat es gut getroffen. Doch je nachdem, von wo aus man guckt, verfinstert sich der Himmel. Die Krisen sind nur scheinbar weg; es wird Zeit, so Hoffmanns schalkhafter Hinweis, die Papageienhaube abzunehmen und sich den wirklichen Problemen zuzuwenden. (GEA)