REUTLINGEN. Camille Claudel (1864-1943) war 49 Jahre alt, ehemalige Geliebte Auguste Rodins, als sie, gegen ihren Willen, durch Bestimmung ihrer Mutter und ihres Bruders, in eine psychiatrische Anstalt gebracht wurde, in der sie mehr als 30 Jahre lang leben musste. Beim Gastspiel des Theaters Heilbronn im Rahmen des Reutlinger Festivals Monospektakel des Theaters Die Tonne ist es die Schauspielerin Regina Speiseder, die sich in diese Künstlerin verwandelt, der spät erst die verdiente Anerkennung zuteilwurde und die heute zu den Größen der Bildhauerkunst im 20. Jahrhundert gezählt wird.
Für Regina Speiseder ist es eine Traumrolle, wie sie im Publikumsgespräch nach der Vorstellung verrät. Gemeinsam mit Regisseurin Katrin Aissen entwickelte sie das Stück. Eingestehen müssen sie beide, dass vieles um Camille Claudel im Dunkeln bleibt. Die Künstlerin zeigte mutmaßlich Symptome von Verfolgungswahn. Kein Wunder dies, nach jahrelanger Missachtung ihrer Person und Arbeit, kein Grund für eine lebenslange Internierung aber auf jeden Fall. Ein Schatten von Wahn fällt auch im Schauspiel auf Camille Claudel – wenn sie um sich blickt und erklärt, man sei in ihr Atelier eingebrochen, habe Skulpturen und Materialien gestohlen. Unklar ist auch bis heute, ob Camille Claudel mit dem Komponisten Claude Debussy lediglich befreundet war oder ob es hier tiefere Bindungen gab.
Musik von Debussy
Debussys Musik spielt eine große Rolle in dieser 70-minütigen Auseinandersetzung mit Leben und Werk von Camille Claudel. Manuel Heuser wählte Stücke Debussys aus, begleitet Regina Speiseder auf der Bühne. Es sind Lieder, Arien, Klavierstücke, die in Camille Claudels Verlies erklingen. Sie singt, verloren, ätherisch, eine unwirkliche und schwierige Musik.
»Freiheit ist ein anderer Ort«, so der Titel des Monodramas. Camille Claudel befindet sich in der Anstalt, fleht darum, gehört zu werden, erlebt Szenen ihres Lebens neu. Einige ihrer Werke, von den Auszubildenden des ersten Lehrjahres in Malerei am Theater Heilbronn erstellt, umgeben sie: Das »Kleine Schlossfräulein von Islette« und die »Clotho«, eine alte Frau, nackt gezeigt – ein Skandal im Jahr 1897, als eine solche Darstellung als ebenso unziemlich galt wie jedes von einer Frau geschaffene Werk, waren Frauen auf Kunstakademien doch nicht erwünscht.
Zerstörtes Werk
Die »Clotho« wird Camille Claudel zuletzt zerstören, so wie sie im wahren Leben viele ihrer Werke zerstörte. Regina Speiseder spielt, sehr leidenschaftlich, überzeugend, das imaginäre Porträt einer Verlorenen. Zuletzt schlägt sie ihre Brücke in die Gegenwart, mit einem Popsong: »We Were Born To Die« – dies hat sie entliehen von Lana Del Rey. (GEA)