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US-Saxer Jerry Weldon bietet beim Jazzfrühling in der »Mitte« betörenden Jazz

Der New Yorker Tenorsaxofonist Jerry Weldon gab sich beim Reutlinger Jazzfrühling die Ehre und sprühte nur so vor Spiellaune.

Jerry Weldon am Saxofon, Giorgos Antoniou am Kontrabass.
Jerry Weldon am Saxofon, Giorgos Antoniou am Kontrabass. Foto: Jürgen Spieß
Jerry Weldon am Saxofon, Giorgos Antoniou am Kontrabass.
Foto: Jürgen Spieß

REUTLINGEN. Er lacht, windet seinen Oberkörper rhythmisch im Takt und scheint vom Spiel seiner drei Kollegen geradezu überwältigt zu sein. Dann tänzelt er am Bühnenrand, klatscht ausgelassen in die Hände oder treibt seinen Pianisten Julian Schmidt mit den Worten »Come on, Baby!« zu weiteren Höchstleistungen an. Die Begeisterung, mit der Jerry Weldon sein eigenes Spiel und das seiner Mitmusiker begleitet, ist sympathisch, ansteckend und drückt eine inständige Fürsprache und Empathie aus, die über die Musik weit hinausweist.

Der New Yorker Tenorsaxofonist gab sich am Donnerstag beim Reutlinger Jazzfrühling die Ehre und sprühte nur so vor Spiellaune. Er bescherte dem spärlichen, aber gleichwohl hingerissenen Publikum im Jazzclub in der Mitte ein Jazz-Highlight, das die Zuhörer in ein konsequent gestaltetes Netzwerk Bebop-durchtränkten Spiels lockte, das keiner Auflösung der Strukturen bedurfte, um offen zu klingen. Bei den Standards wie »I Told You So« von George Cables ebenso wie bei »Sunny«, einer Eigenkomposition, die er seiner Frau gewidmet hat.

Den Jazzkeller zum Brodeln gebracht

Doch was den kleinen Jazzkeller in der Gartenstraße zeitweise zum Brodeln brachte, war vor allem das energiegeladene Spiel des gut Deutsch sprechenden und ganz ohne Noten spielenden Bandleaders. Brillant in der Dynamikkontrolle, energisch und trocken in der Gestaltung seiner Soli, schnörkellos, intensiv und trotz allem keineswegs angestaubt, entwickelte der 67-jährige Tenorsaxofonist eine zeitlose Musikform, die selbst ausgemacht Progressive in ihren Bann zog. In seinen Soli geht es ihm vor allem um klassisches Jazz-Handwerk, eine genaue Klanggestaltung und um rhythmische Komplexität.

Faszinierend, mit welcher Prägnanz und Ideenvielfalt Weldon seinen Ton wachsen ließ und wie er gleichzeitig mit verblüffender Klarheit aufwartete. Wie sich aus behutsamen Linien des Tenorsaxofons kraftvolle und energiegeladene Stellungnahmen entwickelten. Weldon, der in den 80er-Jahren Mitglied des legendären Lionel Hampton Orchestra war, soll jungen Musikern einst geraten haben, sie sollten immer spielen, als ob von jedem Ton ihr Leben abhinge. Diese Maxime scheint er für sich selbst ebenfalls zu befolgen, denn stets überzeugte Jerry Weldon durch seinen kräftigen Sound und vor allem durch sein intensives Spiel.

Viel Energie und Jugendlichkeit

Sein Auftreten zeichnet sich noch immer durch so viel Energie und Jugendlichkeit aus, dass man sich gut vorstellen kann, wie er daheim mit seinen Enkeln vor dem Spiegel Grimassen übt. Ein wenig wie Kinder behandelte er auch seine Mitspieler Julian Schmidt (Piano), Giorgos Antoniou (Kontrabass) und Xaver Hellmeier (Drums), die nichtsdestotrotz einen großen Anteil an diesem intensiven Gig hatten. Am Ende ließ sich dann auch das Publikum nicht lange bitten, bei Lionel Hamptons »Hey! Ba-Ba-Re-Bop« lauthals mitzusingen. (GEA)