REUTLINGEN. »Stille wohnt in blauen Räumen« heißen zwei Bilder, die Gabriele Seeger in der Reutlinger Produzentengalerie Pupille zeigt. Mit dem Titel greift sie eine Zeile aus Georg Trakls Gedicht »In den Nachmittag geflüstert« auf. Auch »Blaue Hortensien« finden sich in ihrer Ausstellung »Randgebiete« - wobei die in Überlingen geborene, seit den 1980er-Jahren in Reutlingen lebende Künstlerin Bezug auf die Lyrik Rainer Maria Rilkes nimmt.
Keine Frage, das Blau dominiert in ihren Malereien, die in vielen Fällen großformatig daherkommen und einen als Betrachter tief in eine poetisch-magische Welt hineinziehen. Dabei wirken die Bilder tatsächlich wie gemalte Stille. Oder, um mit Trakl zu sprechen, wie ein Flüstern in der Stille.
Bezug zur Romantik
Vernissage-Redner Clemens Ottnad hob in seiner Einführung ein »kontrapunktisches Wechselspiel« der tiefblauen Farbtöne mit dem spärlicheren Einsatz von Grün, Gelb, lichteren Rottönen oder Weiß hervor. Er sprach von »tektonischen Verklammerungen« der Farbflächen, aus denen Einblicke ins Bildinnere hinein ebenso wie Ausblicke hinaus entstünden. Auch den Bezug zu dem in der deutschen Romantik so beliebten Fenstermotiv »als Metapher - schon damals - für die Sehnsucht nach der unendlichen Weite draußen in der Natur, wie wir sie etwa von den Rückenfiguren eines Caspar David Friedrich kennen«, stellte der Kunsthistoriker her.
Der Ausstellungstitel »Randgebiete« erschien ihm treffend, würden Gabriele Seegers Malereien doch »Zwischenbereiche zwischen einer abstrakten Bildsprache und der uns umgebenden natürlichen Wahrnehmungswelt zugleich« berühren. Ottnad sprach von »farbverdichteten Traumgeländen«, in denen nur spärliche Hinweise auf den realen Naturraum gegeben würden. Er nannte als Beispiele dafür vereinzelte Pflanzendetails, die zeichenhafte Abbreviatur eines kleinen Hauses, verschlungene Pfade, emporführende Leitern, einen mattierten Sonnenball oder skizzenhaft auf die Maloberfläche gesetzte, still funkelnde Sterngebilde. Zum Befund Traumgelände passen die Schlusszeilen aus Trakls Gedicht »In den Nachmittag geflüstert«: »Und zur milden Lampe drinnen / Kehrst du wie im Traume ein.«
Imaginäre Landschaften
Treffend sind Gabriele Seegers Bilder bereits in der Vergangenheit als imaginäre Landschaften beschrieben worden, in denen die persönliche Wegesuche des Einzelnen nach Schutzräumen vor der Gefährdung des Menschen - etwa durch politische Gewalt oder die Zerstörung der Umwelt - eine zentrale Rolle spielt.
Ausstellungsinfo
Die Ausstellung »Gabriele Seeger: Randgebiete« ist bis zum 6. Oktober in der Produzentengalerie Pupille, Peter-Rosegger-Straße 97 in Reutlingen, zu sehen. Geöffnet ist Freitag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr. (GEA)
Bisweilen scheinen bei ihr Landschaft und Stillleben ineinanderzugreifen. Ottnad brachte eine weitere Deutung ins Spiel: »Möglicherweise aber auch schauen wir vielmehr wie aus der schwerelosen Vogelschau auf eine geometrisierende Formenwelt hinab, die uns dem Alltag zu entheben verspricht.«
Gabriele Seeger erschien übrigens ganz in Blau gehüllt zur Ausstellungseröffnung. Die von Jochen Feucht auf dem Saxofon umrahmt wurde. Unter anderem mit einem Blues (»When Will The Blues Leave?«), der eine gewisse Fröhlichkeit versprühte. (GEA)