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Träumen im Gitarrenwald: Die Band Husten im Reutlinger Kulturzentrum franz.K

Die Band Husten mit ihrem Sänger Gisbert zu Knyphausen trat im Reutlinger Kulturzentrum franz.K laut und melancholisch auf.

Liedermacher mit E-Gitarre: Gisbert zu Knyphausen im franz.K.
Liedermacher mit E-Gitarre: Gisbert zu Knyphausen im franz.K. Foto: Thomas Morawitzky
Liedermacher mit E-Gitarre: Gisbert zu Knyphausen im franz.K.
Foto: Thomas Morawitzky

REUTLINGEN. Etwas von wegen »Singer/Songwriter«, witzelt Gisbert zu Knyphausen irgendwann am Freitagabend, stünde auf den Plakaten, die die Tournee seiner Band Husten bewerben. Nun: Zu Knyphausen ist ein eigenbrötlerischer Melancholiker geblieben, wie könnte es anders sein. Mit Husten allerdings wird er laut. Da steht er, umzingelt von elektrischen Gitarren, und spielt im Grunde – was? Ja: Rock’n’Roll.

Gisbert zu Knyphausen stammt, wie das Netzwerk lehrt, von einem ostfriesischen Häuptlingsgeschlecht ab, wurde dennoch geboren in Wiesbaden, im April vor 44 Jahren. 2008 veröffentlichte er sein Debüt-Album, seither folgten drei weitere. Erst trat er solistisch auf, begleitete sich mit Gitarre, stand so im Jahr 2010 beim Festival »Tübingen lauscht« auch auf dem Marktplatz der Universitätsstadt. Mittlerweile zieht er es vor, mit Begleitern auf die Bühne zu gehen, will im Zusammenspiel aufgehen. Er ist reifer und wilder geworden, er hat nun mehr Haare im Gesicht, ein paar weniger dafür auf dem Kopf. Und er hat mit der Band Husten im franz.K einen ausgesprochen guten Abend, geht ganz auf im ungebremsten Lärmen, Toben. Noch immer wirkt er heiter melancholisch, und irgendwann im Laufe des Abends, dann, wenn die erste Energiewelle über das Publikum hinweggerollt ist, treten seine Worte schließlich auch klarer aus dem glorreichen Gitarrenlärm hervor. Gisbert zu Knyphausen strahlt und tänzelt, joggt euphorisiert über die Bühne, singt sich die Seele aus dem Leib und drischt auf seine Gitarre ein. Alles wirkt lässig, aus einem Guss und absolut überzeugend.

Erstes Album 2022

Husten werden gepriesen als Gisbert zu Knyphausens neuestes Bandprojekt. Sie sind nicht neu, haben seit 2017 insgesamt vier EPs veröffentlicht, legten im Sommer 2022 ihr erstes Album vor, nannten es »Aus allen Nähten«. Im September folgte das zweite, nahezu romantisch betitelt mit »Aus einem nachtlangen Jahr«, auf dem Cover eine schlichte Zeichnung mit Schatten.

Husten ist zudem nicht Gisbert zu Knyphausens neues Bandprojekt, sondern eine Band, die Knyphausen gemeinsam mit Moses Schneider und Tobias Friedrich gründete. Schneider gehört zu den umtriebigsten Produzenten der deutschen Musikszene, rückte Bands wie die Beatsteaks oder Tocotronic ins rechte Licht. Tobias Friedrich trat als Sänger auf und ist als Autor aktiv. Die Songs von Husten schreiben sie gemeinsam, verrät Gisbert zu Knyphausen. Auf der Bühne kommen noch drei weitere Musiker hinzu: Mit zwei bis drei Gitarren, einem Bass, der melodisch knisternd durch die Landschaft zieht, Schlagzeug und einem Keyboard stellen Husten eine ziemliche Wand ins franz.K, mit schönen, tief empfundenen Melodien, motorischem Beat, Gitarrensounds, die flirren wie Licht, und immer öfter mal einem kehligen Aufschrei, einem harschen Akkord.

Romantische Utopie

Und sie spielen sich mit 26 Stücken quer durch ihr Repertoire, lassen keine EP unberührt, graben fast alle ihre Songs aus – von »Bis morgen dann«, dem ersten Song des zweiten, bis zu »Am Ende der Stadt steht ein gelbes Haus«, dem letzten Song des ersten Albums. Und dieser Abschied könnte schöner gar nicht sein, denn das Haus, in dem der Sänger immer bleiben möchte, ist Idyll, unwahrscheinliche Utopie und gewiss ein Sinnbild der Musik, die Husten spielen: »Und jeder verschenkt sein Geld vor dem Tor«, heißt es da, »vergisst, was er hatte und hat nichts mehr vor.« Und weiter: »Da draußen gibt es nichts für uns / diese kalte Welt, die ist Gift für uns«. (GEA)