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Träume vom Ökopionier: GEA-Leser im Hundertwasser-Forum Lindau

Postkarten, Kalender, Häuser, Türme: Jeder kennt Hundertwasser. Fast 50 GEA-Leser erfuhren im neuen Hundertwasser-Forum in Lindau, was hinter dem Mann mit den bunten Bildwelten steckt.

Kunsthistorikerin Jana Lepple führt die GEA-Leser durch die Hundertwasser-Schau in Lindau.
Kunsthistorikerin Jana Lepple führt die GEA-Leser durch die Hundertwasser-Schau in Lindau. Foto: Armin Knauer
Kunsthistorikerin Jana Lepple führt die GEA-Leser durch die Hundertwasser-Schau in Lindau.
Foto: Armin Knauer

LINDAU. Die Kunst von Friedensreich Hundertwasser hängt als Kalender an der Wand, prangt auf der Kaffeetasse, ist Teil unserer Lebenswelt geworden. Ganze Wohnblocks, ein Bahnhof sogar (im niedersächsischen Uelzen) feiern seine verspielte Ästhetik. Aber wer ist der Mensch, der diese Bildwelten schuf? Fast 50 GEA-Leser fuhren mit ihrer Zeitung ins neue Hundertwasser-Forum nach Lindau. Dort lässt sich der österreichische Kunststar, der im Jahr 2000 starb, näher entdecken.

Dabei wirkt Lindau selbst wie eine Hundertwasser-Schöpfung mit seinem Häusergewirr, den farbigen Fassaden. Hundertwasser hat es geliebt, hat das Wasser geliebt, wollte seine Kunst am liebsten auf einer Insel zeigen. Vielleicht deshalb hat Lindau von der Wiener Hundertwasser-Stiftung die Genehmigung erhalten, hier ein Forum für ihn zu errichten, im ehemaligen Postamt, das jahrelang Ausweichquartier füs Lindauer Kunstmuseum gewesen ist.

Was tun mit dem Postamt?

Das Museum zieht nun ins renovierte barocke Cavazzen-Haus zurück. Was also tun mit dem Postamt? Nun ist es für weitere fünf Jahre für die Kunst gesichert – die Kunst Hundertwassers. Drei Zentren für ihn gibt es weltweit, in Neuseeland, Wien, nun in Lindau. Nur hier zeigt man sein Schaffen in jährlich wechselnden Schauen. »Da sind wir stolz drauf«, betont Jana Lepple vom Lindauer Kulturamt.

Lust auf bunte Bildwelten: Einige der GEA-Leser vor dem Eingang zum Hundertwasser-Forum.
Lust auf bunte Bildwelten: Einige der GEA-Leser vor dem Eingang zum Hundertwasser-Forum. Foto: Armin Knauer
Lust auf bunte Bildwelten: Einige der GEA-Leser vor dem Eingang zum Hundertwasser-Forum.
Foto: Armin Knauer

Vier Ausstellungen zu ihm sind hier bis 2030 geplant. Die erste zeigt sein Werk im Überblick. Die zweite vertieft 2026 den Aspekt der Vielfalt. Die dritte feiert 2027/28 seinen 100. Geburtstag. Ehe sich zum Abschluss die vierte 2029/30 seinen Architekturprojekten zuwendet.

Kindheit im NS-Regime

In der ersten Schau erleben die GEA-Leser wie Hundertwasser zu seiner Kunst kam. In lebhaften Schilderungen von Jana Lepple und (bei der zweiten Führung) Judith Kleiner wird greifbar, welch harte Kindheit er hatte. 1928 in Wien geboren, ist er noch kein Jahr alt, als sein Vater stirbt. Als er zehn ist, marschieren 1938 die braunen Truppen Hitlers in Österreich ein. Was Todesgefahr bedeutet, seine Mutter ist Jüdin.

Der Großteil seiner Verwandtschaft wird deportiert und ermordet. Hundertwasser und seine Mutter überleben – wohl auch, weil seine Mutter ihn, den katholisch Getauften, früh zur Hitlerjugend schickt. Auszeiten von der Bedrohung bieten heimliche Ausflüge an die Donau. Die Natur wird zum utopisch-heilen Gegenbild. Und zum Anstoß für die Kunst.

Natur als Sehnsuchtsort

Erst zeigt er diese Natur noch realistisch, wenn auch zart-poetisch, in seinen Aquarellen von 1948. Da hat er nach nur drei Monaten das Studium an der Wiener Kunstakademie hingeschmissen. Reist stattdessen durch Oberitalien, nach Paris. Er wird ein Nomade bleiben: »Nie hat er einen festen Wohnsitz gehabt«, erzählt Jana Lepple bei der Führung. Mal arbeitet er in Venedig, mal in Neuseeland, wo er ein ganzes Tal erwirbt, um es zum Naturparadies zu machen.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Das Recht auf Träume« zu Friedensreich Hundertwasser ist im Kunstforum Hundertwasser, Maximilianstraße 52 in Lindau, bis 11. Januar 2026 zu sehen. Geöffnet ist bis 12. Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr, danach von 11 bis 17 Uhr. (GEA)
museum@lindau.de

Anfang der 1950er kippt der Realismus in flächige Ornamentik. Ein Sonnenblumenbild von 1951 lässt noch van Gogh als Vorbild erkennen. Der typische Hundertwasser-Stil ist da. Der Künstlername ebenfalls – denn eigentlich heißt er Friedrich Stowasser. »Sto«, das weiß er als Wiener, heißt bei den Slawen hundert. Und das Friedensreich einer Welt im Einklang von Mensch und Natur erträumt er in seinen Bildern.

Kunsthistorikerin Jana Lepple erläutert im »Hundertwasser-Forum« das Bild »Zwiebelturmsuppe«.
Kunsthistorikerin Jana Lepple erläutert im »Hundertwasser-Forum« das Bild »Zwiebelturmsuppe«. Foto: Armin Knauer
Kunsthistorikerin Jana Lepple erläutert im »Hundertwasser-Forum« das Bild »Zwiebelturmsuppe«.
Foto: Armin Knauer

Verspielt tauchen Elemente der Realität in seiner Fantasiewelt auf. Ein Kreuzfahrtdampfer schiebt sich in eine Venedig-Ansicht, löst sich in ein Muster von Bullaugen auf. In Japan lernt er von den Meistern des Farbholzschnittes und schafft Drucke, die aussehen, wie mit Farbstiften gemalt. Sein Sehnsuchtsschiff »Regentag« schippert auf einem Bild ins Blaue. Der Salzfrachter von 1910, den er in den 70ern kaufte und über Jahre ausbaute, wird ihm zeitweise zur Heimat.

Tod auf dem Schiff

Die letzten Siebdrucke entrollen futuristische Stadtlandschaften. Hundertwasser kann sie nicht mehr unterzeichnen; auf der Fahrt von Neuseeland nach Europa stirbt er auf der Queen Mary II. Ein Außenseiter, der phasenweise ein Aussteigerleben führte und sich in seinem Sehnsuchtsland Neuseeland nackt und ohne Sarg unter einem Baum begraben ließ.

So ein Leben wirft Fragen auf – jede Menge davon prasseln aus den Reihen der GEA-Leser auf Jana Lepple und Judith Kleiner ein. War er liiert? (Zweimal nur wenige Jahre.) Hatte er Haustiere? (Einen kleinen schwarzen Hund, vielleicht einen Raben.) War er Asperger-Autist? (Möglich, aber nicht gesichert.) Wurde er reich durch seine Kunst? (Anfangs nicht, später schon, da kaufte er Ländereien in Neuseeland, bei Venedig – um sie in Naturparadiese zu verwandeln.)

Fast wie ein Hundertwasser-Motiv: Die Altstadt von Lindau mit ihren farbigen historischen Häusern.
Fast wie ein Hundertwasser-Motiv: Die Altstadt von Lindau mit ihren farbigen historischen Häusern. Foto: Armin Knauer
Fast wie ein Hundertwasser-Motiv: Die Altstadt von Lindau mit ihren farbigen historischen Häusern.
Foto: Armin Knauer

Er bleibt ein schwer greifbares Phänomen: Eigenbrötler und Fantast, Poetiker und Umweltstreiter, Luftschlossbauer und Öko-Aussteiger. Die weiteren Schauen werden den Blick auf ihn vertiefen. Für die GEA-Leser geht es nun hinaus in dieses Lindau, das in seiner Buntheit so sehr an Hundertwasser erinnert. (GEA)