REUTLINGEN. Glatt und makellos wie eine Perle zu musizieren ist ein Ziel, welches man als Musiker immer irgendwie anstrebt. Und doch ist dies nicht alles, denn etwas Eigenes bleibt bestehen und bringt das Lebendige mit hinein, die Seele. Die vier Musiker des katalanischen Streichquartetts Cuarteto Casals haben beides glücklich miteinander vereint am Mittwochabend beim Kammermusikzyklus in der Reutlinger Stadthalle.
Seit weniger als einem Jahr hat Cristina Cordero an der Viola Jonathan Brown in diesem vielfach ausgezeichneten Quartett ersetzt und agiert nun Seite an Seite mit Vera Martínez Mehner (Violine) und den Brüdern Abel Tomàs (Violine) und Arnau Tomàs (Violoncello). Nachdem die Reihenfolge der Stücke spontan in eine zeitlich aufsteigende Ordnung verwandelt wurde, startete man mit Luigi Boccherinis Streichquartett op. 32 Nr. 5.
Geschmeidiger Boccherini
Nicht nur die besonderen Bögen, die verwendet wurden, sondern auch das einzigartige Austarieren zwischen den Musikern trug zu einem eindrucksvollen Klangerlebnis bei. Jeder Ton war gefeilt – und doch strömte es geschmeidig dahin. Stets nahm sich jeder gerade zum richtigen Zeitpunkt zurück oder hob sich hervor, wo es nötig war, ohne jemals das Gefüge in irgendeiner Weise einzuengen. Abel Tomàs gab die Linie vor: mit Liebe zu den Feinheiten, denkend und doch wie intuitiv, zugkräftig und mit edlem Charisma.
Das anschließende Streichquartett des sogenannten »spanischen Mozarts« Juan Crisóstomo de Arriaga (1806–1826) galt wohl für viele Zuhörer als reizendes Schmankerl. Nicht nur wegen des interessanten Lebenslaufs des sehr jung verstorbenen Komponisten, sondern auch wegen der unkomplizierten graziösen Eleganz seiner Musik. Auch hier erlebte man die Spieler als einen gemeinsamen Organismus, der mit sich im Reinen ist, wo alles mühelos ineinandergreift. Von Abel Tomàs ging hier erneut die Inspiration aus, die sich auf alle musikalischen »Körperteile« übertrug.
Gebet vor dem Kampf
Ein zweiter Spanier, Joaquín Turina, sollte noch vor der Pause erklingen. Mit »La Oración del Torero« findet man sich unversehens in einer Stierkampfarena wieder, ferner in einer kleinen Kapelle, wo die Toreros um einen guten Ausgang des Kampfes beten. Vera Martínez Mehner übernahm nun feinfühlig und besonnen die Rolle der ersten Geige, besonders passend für dieses Werk. Keine übertriebene Inbrunst, sondern intelligente musikalische Epik, aus dem Nichts kommend und ins Nichts wieder aushauchend.
Brahms als Abschluss, mit anderen Bögen, anderem Klang, geändertem Ansatz. In dessen Streichquartett op. 51,1 ließen die Musiker nicht das gleiche Kolorit wie zuvor erwachsen. Strenger, ein bisschen weniger von innen heraus kommend, und doch nicht nur das Aufbauen eines Konstrukts. Nein, es war mehr, ein dynamisches Formen und Gestalten, eine spannende Darlegung des jeweiligen musikalischen Versmaßes und zuletzt ein gewaltiger energiereicher Abschluss. Gekrönt noch von der Zugabe: de Fallas »Tanz des Müllers« aus dem Ballett »Der Dreispitz«, feurig, authentisch und packend. (GEA)