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Teenager-Liebe

ULM. »Ein holder Jüngling sanft und schön, ja ja, gewiss zum Malen schön«, schwärmen die drei Damen in ihren blauen Politessen-Uniformen ganz verzückt. Huch - wen meinen die denn? Doch wohl nicht etwa den coolen Typen in Kapuzen-Sweatshirt und Schlabberhose? Doch, genau den. Gestatten: Prinz Tamino (Alexander Schröder) auf der Suche nach Glück, Liebe und Erkenntnis. Derweil plappert Kumpel Papageno (Tomasz Kaluzny) munter über Telefonrechnungen und seine Vorliebe für Cola.

Die Ulmer Inszenierung der »Zauberflöte« bewegt sich locker-flockig zwischen Mozarts Zeit und dem Hier und Heute. Im Orchestergraben (musikalische Leitung: James Allen Gähres) wird lupenreiner Vorzeige-Mozart gespielt, auf der Bühne regiert das 21. Jahrhundert. Die originalen Arien-Texte bleiben unangetastet, die gesprochenen Dialoge wurden in die moderne Alltagssprache übersetzt und zum Teil frei bearbeitet.

Sympathische Naivität

So mancher Regisseur, der die wohl berühmteste aller Opern inszeniert, erliegt der Versuchung, etwas noch nie Dagewesenes auf die Bühne zu bringen. Matthias Kaiser indes geht die Sache wunderbar unverkrampft an: Seine »Zauberflöte« ist weder ein knochentrockenes Lehrstück noch ein mit avantgardistischen Regie-Einfällen überfrachtetes Tamtam. Der Ulmer Regisseur geht liebevoll mit seinen Figuren um und behält das märchenhafte Element bei, ohne platt oder kitschig zu wirken.

Kaiser beschreibt seinen Ansatz so: »Meine Lesart könnte man als einen Versuch 'höherer Naivität' bezeichnen.« Im Zentrum steht der Prozess des Erwachsenwerdens: Tamino, Pamina (Arantza Ezenarro) und Papageno sind Teenager zwischen zwei Welten. Hier die Kinderwelt mit ihren bunten Farbwirbeln, der Bühnenbildnerin Marianne Hollenstein eine Kinderzeichnung zugrunde gelegt hat. Dort die Erwachsenenwelt in Sarastros Tempel mit ihren weißen Wänden - die wieder bunt werden können, wenn man sich das Kindliche bewahrt, so die Botschaft der Inszenierung.

Dazu passt, dass in musikalischer Hinsicht nicht etwa die großen Knaller, sondern die lyrischen Momente als Höhepunkte herausstechen. Die brave Pamina stiehlt der Königin der Nacht (souverän: Edith Lorans), die in kniehohen Stiefeln, Minirock und mit hüftlanger Mähne aufmarschiert, glatt die Show. Mit Paminas Arie »Ach, ich fühl’s«, gelingt Arantza Ezenarro der berührendste Moment des Abends. Alexander Schröder macht als Tamino gelegentliche gesangliche Defizite durch seine überragende schauspielerische Leistung wett. Die größte Überraschung des Abends aber ist Bassist Jie Mei, der als sonnenbebrillter Popstar-Sarastro mit starker Stimme vor Stadion-Fankurven-Kulisse sein Debüt in Ulm gibt - phänomenal. (GEA)

Infos, Spielplan und Karten unter

www.theater.ulm.de