REUTLINGEN. Die Klima-Apokalypse naht, Zeit für eine letzte rauschende Party. Pierre Omer schlägt mit seiner Swing Revue dazu ausgelassene Swing- und Charleston-Töne an, bedient sich lustvoll an der Tanzmusik der 1920er-/30er-Jahre. Und weil es heiß zu werden droht im Klima-Desaster, weil Teile der Südsee dabei unterzugehen drohen, haben Omer & Co. ihr jüngstes Album »Tropical Breakdown« genannt.
Er hat einen eigenwilligen Humor, der Schweizer (von der Mutter her) mit dem britisch-indischen Hintergrund (vom Vater her). Dass das Album als swingender Kommentar zum Klimakollaps gemeint ist, bestätigt Pierre Omer dem GEA im Telefongespräch. An der Musik der 20er-/30er liebe er die Melodien, die Leichtigkeit, sagt er in klarem, überlegtem Französisch. Aber auch, dass sich das in gefährdeten Zeiten abspielte. Ein Tanz am Abgrund schon damals.
Party mit dunklem Subtext
So haben die lässig wippenden Nummern von »Tropical Breakdown« allesamt einen dunklen Subtext. »Remember the time when the island sank? But nobody opened their eyes«, heißt es etwa in »Just One Kiss«: »Erinnerst du dich, als die Insel unterging? Und keiner schaute hin«. Wozu die Stopftrompete von Christoph Gantert aufgekratzt durch die Oktaven flattert. Bei den sehnsüchtigen Wohlfühlnummern wie »L'amour à la plage« (»Liebe am Strand«) kann man nie sicher sein, ob sie so gemeint sind.
Dabei ist es kein historischer Exkurs in die 1920er. »Wir sind auch keine Jazzer!«, betont Omer. Schon eher sei es 20er-Swing aus dem Geist des Garagenrock. Das neueste Bandmitglied Géraldine Schenkel bringt dabei nicht nur ein weibliches Element in die Sache - was den oft im Stil der Stummfilmzeit gedrehten Videos nochmal einen anderen Dreh gibt. Als Keyboarderin bringe sie auch andere Klangfarben mit hinein, so Omer.
Zwischen den Stühlen
Dass diese Musik zwischen den Stühlen hängt, wenn unter dem Charleston der Punk brodelt, macht gerade den Reiz aus. Auch wenn es manche 20er-Fans irritiert. »Der Lindy-Hop als Tanz der 1920er erlebt ja gerade einen Boom«, weiß Omer. Die Lindy-Hop-Tänzer bräuchten jedoch ein definiertes Tempo - dafür ist Omers Musik zu anarchisch.
Die Kombination gegensätzlicher Genres hat Omer schon früher gereizt - etwa als Mitglied der Dead Brothers, einer Beerdigungs-Rock'n'Roll-Band. »Wir haben die Begräbnismusik der Marching Bands aus New Orleans mit Rock-Anleihen verbunden - und uns dazu wie Bestatter in Schwarz gekleidet«, schmunzelt Omer. Bei Beerdigungen seien sie nie aufgetreten, eher bei Festen. Die Gruppe löste sich auf, als der Sänger starb. Auch wenn Pierre Omer die Dead Brothers lange vorher verlassen hat - etwas von ihrem morbiden Charme schwingt in seiner Swing Revue mit. So darf im franz.K ausgelassen getanzt werden, zu Swing und schummrigen Shuffles - dem Untergang entgegen. (GEA)
Pierre Omer's Swing Revue: 23. Januar, franz.K, Reutlingen