TÜBINGEN. Die Nachrichten füllen derzeit eher Donald Trump, der Gaza- und der Ukrainekrieg – das Filmfest Cinelatino hingegen nimmt vom 23. April an in Tübingen, Reutlingen, Stuttgart und Freiburg Lateinamerika in den Blick. Zu Recht, entscheidet sich die Zukunft des Weltklimas doch nicht zuletzt im Amazonasgebiet. Länderschwerpunkt ist diesmal die Dominikanische Republik, die zuletzt mit Filmen bei großen Festivals auftrumpfte. Themenfokus ist die Amazonasregion mit ihren indigenen Völkern – und ihrer Bedrohung durch Holzindustrie, Ölförderung und Großlandwirtschaft. Bei einem Budget von rund 85.000 Euro werden etwas weniger Filme gezeigt als beim letzten Mal. Im Blick haben die Festivalleiter Paulo de Carvalho und María Vallecillos Soldado vor allem die junge Generation Filmschaffender.
Eröffnungsfilme
In Stuttgart geht's am 24. April im Delphi Kino mit »Raíz – Durch Felsen und Wolken« los. Franco García Becerra erzählt darin von dem achtjährigen Alpaca-Hirten Feliciano, dessen Herde in den peruanischen Anden durch Bergbaubetriebe in Gefahr gerät. Im Reutlingen geht's zum Start am 24. April im Kamino in »Sugar Island« um den harten Alltag der afrikanischstämmigen Arbeiterschaft auf den Zuckerrohrplantagen der Dominikanischen Republik. Für Tübingen haben sich Carvalho und Vallecillos Soldado für die Eröffnung am 23. April im Kino Museum den argentinischen Streifen »Puan« ausgeguckt. Nicht zuletzt, weil die an der gleichnamigen Hochschule in Buenos Aires spielende Komödie von María Alché und Benjamín Naishtat eine hinreißende Bespiegelung des akademischen Milieus ist. Wie passend für die Unistadt Tübingen!

Im Zentrum steht der gehemmte Philosophiedozent Marcelo Pena, der außerhalb des Hörsaals in jeden Fettnapf tritt. Als sein Ziehvater und Lehrstuhlinhaber Eduardo Caselli beim Joggen stirbt, scheint alles auf ihn als Nachfolger hinauszulaufen. Bis unerwartet aus Frankfurt der charismatische Heidegger-Spezialist Rafael Sujarchuk auftaucht. Großartig, wie Marcelo Subiotto und Leonardo Sbaraglia diese beiden Typen zeichnen: hier der brillante, aber verschlossene Denker Marcelo, dort der weltgewandte Intellektuellen-Popstar Rafael. Doch als Argentinien in den Staatsbankrott rauscht und die Regierung die Universitäten schließt, müssen sich die Kontrahenten zusammenraufen. Ein mit feiner Tragikomik gezeichnetes Uni- wie Argentinien-Porträt.
Fokus Dominikanische Republik
Die Dominikanische Republik hat sich Carvalho zufolge dank geschickter staatlicher Förderung als Filmland etabliert. Sogar auf der Berlinale war man erfolgreich. Das Cinelatino zeigt vier Streifen aus dem Inselstaat. Die Doku »Colosal« von Nayibe Tavares-Abel beschäftigt sich mit den Wahlfälschungen Anfang der 1990er-Jahre. Die Doku »Ramona« von Victoria Linares Villegas nimmt die Problematik von Teenager-Schwangerschaften in den Blick. Der Spielfilm »Die Party von Bionico« erzählt mit schrägem Humor von Drogenkonsum und Wohnungsnot, während »Sugar Island« das afrikanische Erbe der Insel aufgreift.
Fokus indigenes Amazonien
Amazonien und seine indigenen Völker sind Thema mehrerer Filme, auch im Hinblick auf ihre Bedeutung für das Weltklima. Eriberto Gualinga, selbst Angehöriger des Kichwa-Volkes, porträtiert in seiner Doku »Helena de Sarayaku« eine 17-Jährige, die in zwei Welten lebt: Ihr Vater ist Schwede, ihre Mutter stammt aus einem Dorf im Amazonasgebiet. Bei Besuchen in der Heimat ihrer Mutter wird sie zur Regenwald-Aktivistin. Die Doku »Karuara, la gente del río« (Karuara, Menschen des Flusses) begleitet das mit der Natur und dem Fluss verwobene Leben des Kukama-Volks. Zum gefährdeten Amazonien gibt es am Sonntag, 27. April, um 18 Uhr im Delphi Kino in Stuttgart einen Themennachmittag, außerdem eine Podiumsdiskussion in Tübingen am Samstag, 26. April, um 16.30 Uhr im Café Haag.
Wettbewerb um Publikumspreis
Sieben Filme – zuletzt waren es neun – konkurrieren um den mit 1.000 Euro dotierten Publikumspreis, nach einigen Jahren Pause wieder gestiftet von der Sprachschule Vivat Lingua. Sechs der Filme sind Debüt-Produktionen, einer, »Creatura« von Elena Martín, ist der zweite Langfilm der spanischen Regisseurin. Vertreten sind Dokus über die Stroessner-Diktatur in Paraguay (»Unter Fahnen die Sonne«) oder den Alltag eines Stierkämpfers (»Tardes de Soledad«). Aber auch eine leichtfüßige Liebeskomödie ist dabei: In »Volveréis« von Jonás Trueba laden Ale und Alex ihre Freunde zur Trennungs-Party – was allenthalben Irritationen auslöst.
Rahmenprogramm und Gäste
Das Rahmenprogramm haben die Veranstalter von »Open Festival Space« in »CineSalón« umbenannt. Los geht's am Donnerstag, 24. April, im Ribingurumu in der Tübinger Mühlstraße. Von Freitag bis Sonntag, 25. bis 27. April, wird im Café Haag gefeiert. Geboten sind Kurzfilme (24. April, 21 Uhr), ein Salsa-Workshop (25. April, 19 Uhr) mit anschließender Party, eine Schokoladenverkostung (26. April, 13 Uhr), die erwähnte Diskussion zu Amazonien (26. April, 16.30 Uhr) und eine Filmmatinee zu Amazonien am 27. April um 11.30 Uhr. Als Gäste erwartet werden beim Festival Annemarie Gunkel, die Drehbuchautorin von »Raíz – Durch Felsen und Wolken«, Regisseur Marco Panatonic als Podiums-Experte und Rafael Medina Adalfio, Regisseur des venezolanischen Beitrags »Mariposa de papel«. Beim Themennachmittag in Stuttgart ist als Experte für Klimagerechtigkeit Ralf Häußler mit dabei. Weitere Akteure werden online zugeschaltet. (GEA)
Festivalinfo
Eröffnung in Tübingen ist am Mittwoch, 23. April, um 19.30 Uhr im Kino Museum mit dem Film »Puan«, in Reutlingen am 24. April um 18.15 Uhr im Kamino mit »Sugar Island«, in Stuttgart am selben Tag um 20 Uhr im Delphi mit »Raíz – Durch Felsen und Wolken«. Am Mittwoch, 30. April, ist um 20 Uhr im Kino Museum Tübingen Preisverleihung mit dem Abschlussfilm »Una noche con los Rolling Stones«. Die Filme laufen in Reutlingen im Kamino, in Tübingen im Museum, in Stuttgart im Delphi. (GEA)
https://filmtage-tuebingen.de/latino/filme-f.html