REUTLINGEN. Das Evangelische Stift Tübingen beherbergt Studierende, die eine Laufbahn als Pfarrerin oder Pfarrer anstreben, und bildet diese auch musikalisch aus. Als Stiftsmusikdirektor amtiert seit 2015 Frank Oidtmann, der aktuelle Stiftschor umfasst etwa 30 Personen – keine Profis, sondern begeisterte Laien, denen man es hoch anrechnen muss, wenn sie sich auf anspruchsvolle Chorwerke einlassen.
In diesem Fall kooperieren sie mit dem Kinderchor der Evangelischen Singschule Heilbronn, aktuell geleitet von Judith Wiesebrock, die als ausgebildete Sängerin den Solopart übernahm; das Baritonsolo sang Andreas Jenter aus den Reihen des Stifts, stimmlich leider durchweg im Schatten des hell strahlenden Soprans.
Geteilt und neu zusammengesetzt
Bei den zwei aufgeführten Messen handelt es sich um John Rutters »Mass of the Children« und die »New York Mass« von Christoph Schoepsdau, beide komponiert um 2003. Hier werden sie geteilt und neu zusammengesetzt in der Weise, dass der Kern der Messe aus Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus/Benedictus und Agnus Dei erhalten bleibt.
Stilistisch ergibt sich ein reizvoller Kontrast aus Rutters »traditioneller« (und sehr effektvoller) Komposition und Schoepsdaus Jazz-Idiom. Entsprechend treten eine Jazz-Combo (deren Drumset akustisch dominiert) sowie ein Kammerensemble aus Holzbläsern, Harfe, Pauken und Schlagwerk als wechselnde Begleitung an, präzise und suggestiv koordiniert durch den Dirigenten.
Komposition von Rutter als Rahmen
Als Rahmen lädt Rutters »Lord, open thou mine eyes« zur Andacht ein. Dem folgen die Kyrie-Vertonungen: locker swingend die »New York«-Variante, voll Farbe und Andacht die von Rutter. Dieser meint »Mass of the Children« wörtlich: Der Kinderchor verkörpert die Stimme der Unschuld, die Heilbronner Kinder machen ihre Sache vorzüglich.
Rutters Gloria öffnet den Himmel mit Harfe, Glocken, Orgel und beschwingtem Fünfer-Metrum, während Schoepsdaus konventionell verjazzter Psalm eher beiläufig daherkommt; ohne Textblatt würde man ihn kaum verstehen. Auch sein Credo und Offertorium wirken blass; hätte man eventuell einen Verstärker einsetzen sollen?
Unablässige Bitte um Frieden
Der Abschluss mit Rutter bringt mehr Kraft und Kontrast: Himmlische Harmonie wechselt mit Totentanz und Trauerton, ein schlichtes Kinderlied geht über in ein zweichöriges, vollstimmig aufblühendes Finale, dessen Textgrund unablässig die Bitte um Frieden wiederholt.
Herzlicher Beifall, eine Dreingabe, wobei die Chorsänger Plakate mit »19 Semester Stiftsmusik« und »Danke« hochhalten. (GEA)