STUTTGART. Ein Trio-Doppelkonzert markiert das Finale der 35. Theaterhaus Jazztage. Mit Auftritten des Dieter Ilg Trios und des Jasper van't Hof Trios klingt das beliebte Osterjazzfestival auf dem Stuttgarter Pragsattel beschwingt und recht gediegen aus. Knapp 10.000 Besucher konnten die Organisatoren an dreizehn Tagen laut Theaterhaus-Vorstand Werner Schretzmeier begrüßen. Umgerechnet in Jazzfans mag die Zahl zwar etwas geringer ausfallen, nehmen doch nicht wenige dieses dichte Programmangebot gleich mehrfach wahr, aber die Bilanz scheint insgesamt optimistisch zu stimmen. Jedenfalls schließt Schretzmeier seiner Dankesrede an das treue Publikum eine herzliche Einladung zu den 36. Theaterhaus Jazztagen an, auch wenn er in seiner Moderation regelmäßig Zweifel an der privatwirtschaftlichen Unterstützung für 2026 säte, die das Festival 2024 und heuer in diesem Umfang erst ermöglichte.
Alle an diesem Abschlussabend die Bühne im nahezu ausverkauften T2 bevölkernden Leader gehören der Kategorie der »Alten Bekannten« an, die im Verlauf der zwei Wochen das Programm dominierte – neben Ilg und van't Hof war auch Christof Lauer als solcher ausgewiesen, der das Trio des niederländischen Pianisten zum Quartett verstärkte –, beide Formationen stellen Material aus ihrem jeweils aktuellen Album vor.
Luzides Klavierspiel
In Ilgs Fall trägt das den Titel »Motherland« und beginnt mit Horst Jankowskis »Schwarzwaldfahrt«, in dem man bereits den unwahrscheinlich mühelosen Rapport zwischen Ilgs geschmeidig federnden Bassläufen, Rainer Böhms luzidem Klavierspiel und Patrice Hérals polyrhythmisch aufgefächertem Schlagzeug bewundern kann. Frühlingshaft wirkt Böhms »Anundfürsich«, tief geht die Ballade »Soil«.
Ein jazzrockiger Groove trägt das Titelstück, Böhm rekapituliert in seinem Solo kursorisch die Stilepochen des Jazz – Stride, Swing, Latin, all das taucht für wenige Takte kurz auf –, Ilg zeichnet sodann den Weg vom »Walking Bass« zum »Talking Bass« auf, wobei die Souveränität seiner Erzählstimme so abgeklärt und kunstfertig zugleich wirkt, als wäre sie an Autoren wie Thomas Mann oder auch Theodor Fontane geschult. Böhm wiederum lässt »Motherland« mit einigen Takten von Erik Saties »Gymnopédie No. 2« ausklingen. Zuweilen wimmelt es nur so von verfremdeten und angeeigneten Versatzstücken, doch alles ist in einen distinkten Ensembleklang integriert.
In der Sprache der Minions
Vor ihrer Interpretation des The-Stylistics-Hits »People Make the World Go Round«, die den Höhepunkt des Sets markiert, lässt Héral dann die Drums sprechen, teilweise auch in der Sprache der Minions. Mit Burt Bacharachs »(They Long to Be) Close to You« verabschiedet sich das exquisite Trio, Ilg appelliert: »Erhalten Sie sich die Friedenstüchtigkeit – ich habe sie gespürt heute Abend.«
»Skin Under« heißt der 2024 erschienene Longplayer von Jasper van't Hof, für den er mit Christof Lauer einen der renommiertesten deutschen Jazz-Saxofonisten eingeladen hat. In Stücken wie »Fleur Protégée« oder »The Endless Past« präsentiert sich der 77-jährige Pianist (nach ein paar technischen Anlaufschwierigkeiten) noch immer als überbordend kreativer Klaviersynoptiker, der sein Konzertpianistenjackett bereits nach dem ersten Stück an die »Steinway-Garderobe« hängt und fingerflink wie eh und je in die 88 Tasten greift.
Statement zur Weltlage
Lauer steht ihm als kongenialer Partner in nichts nach, legiert Modern, Bebop, Spiritual und Free Jazz zu einem authentischen, eigenständigen Idiom. Doch im Gegensatz zum ersten Trio des Abends stimmt hier die Augenhöhe nicht: Gerade in ihren Soli wird offenkundig, dass Bassist Stefan Lievestro der Komplexität des Anspruchs nicht gewachsen ist, während Jamie Peet so schlicht und unangenehm kraftstrotzend trommelt, wie man es Donald Trump oder Elon Musk zutrauen würde. Schade eigentlich. Dennoch steht auch hier ein Statement zur Weltlage am Ende: »Peace« von Horace Silver. Ein Schlusswort, dem wir nicht widersprechen möchten. (GEA)