PFULLINGEN. Fotografisch anmutende Porträts. So kennt man Jannis Moisidis' Arbeiten auf Papier. Meist Frauenfiguren, bekannte oder unbekannte, einstudierte Pose und Weltläufigkeit ausstrahlend. Oder Privatheit und Verletzlichkeit. Die Frau als »Rätsel« manifestiert sich malerisch aufgesetzt auf einem Kreuzworträtsel und durchwirkt von diesem.
Solche Bilder des Reutlinger Künstlers aus Nordgriechenland, der 1994 nach Deutschland kam und in Reutlingen ein Atelier, die »Mois Art Factory«, betreibt, konnte man vor sechs Jahren in der Pfullinger Klosterkirche sehen, wo jetzt wieder eine Ausstellung von ihm stattfindet. Auf drei Etagen werden ältere und neuere Arbeiten gezeigt. Im Untergeschoss, präzise gemalt, besagte Frauenbilder. Die Hintergründe sind oft alte Zeitungen und vor dem Müllcontainer gerettete Papiere, Telefonbuchseiten oder Texte aus Büchern in verschiedenen Sprachen, wie Helmut Bachschuster in seiner Einführung in die Ausstellung erläuterte, die er auf der Nasenflöte und der Maultrommel umrahmte.
Auf gepacktem Koffer
Auf einer der Collagen (»Die Reise«) sitzt eine junge Frau im sommerlich leichten roten Kleid, die Haare zum Pferdeschwanz hochgebunden, auf einem gepackten Koffer, den Blick auf verschiedensprachige Zeitungsausrisse gerichtet, die auch hier den Hintergrund bilden. Den Möglichkeitsraum öffnen auch Bilder wie »Vielleicht« (Acryl auf Vintage Paper). Eine versonnen dreinblickende junge Frau mit Blütenkranz und Sonnenkrone erscheint hier gleichsam als Allegorie. Unter dem schwarzen Jäckchen, das den Oberkörper bedeckt, schaut ein Kleid in marmorierten Naturtönen hervor, die auch die Sonnenkrone ausfüllen. Mit das eindrucksvollste Gemälde in der unteren Etage ist das Bild »Die Flucht«. Eine Rückenansicht, dominiert von Rot und Blautönen. Das Bild einer Frau, deren Konturen sich, wie wenn man die Augen zusammenkneift, aufzulösen scheinen.
»Star struck«, also von Stars beeindruckt, kann man bei den ausgestellten Bildern im Obergeschoss sein, wo Jimi Hendrix (Acryl auf Leinwand), Brigitte Bardot oder Madonna (Collagen) einen direkt anblicken. Wobei Madonna dies vor einem knallig roten Hintergrund durch eine Sonnenbrille hindurch tut.
Ausstellungsinfo
Jannis Moisidis' Ausstellung ist bis zum 6. Juli in der Pfullinger Klosterkirche zu sehen. Geöffnet ist Mittwoch und Samstag von 14 bis 18 Uhr, Sonntag von 10 bis 18 Uhr. (GEA)
Im Erdgeschoss, wo Moisidis' jüngste Arbeiten zu finden sind, dreht sich vieles um Oxygen (Sauerstoff) und Einsamkeit. Bachschuster drückte es so aus: »Figuren im Raum, sowohl in der Landschaft als auch im Wohnraum, in Bezug zum Horizont, möglicherweise auch dem gesellschaftlichen, zeigen sich einsam, zweisam, dreisam, ja sogar viersam - aber immer einsam, anonym und gesichtslos, Gefühle grau symbolisiert.« Auf manchen Bildern scheint es gar, als würden die Figuren, mancher Eigenschaft entledigt, mit dem Mobiliar verschmelzen. Und dann ist da noch ein Herr mit Intellektuellenbrille im roten Sakko (»Onkel Sam«, Öl auf Leinwand). Er ist sitzend mit überschlagenen Beinen dargestellt. Den Blick hat er vor sich ins Nichts gerichtet. Am auffälligsten: Er scheint eine zweite, weibliche Figur zu verdecken, von der nur die Beine zu erkennen sind.
Abgerundet wird die Ausstellung von Kleinskulpturen aus luftgetrocknetem Ton (darunter »Meine Tante«, »Die Schwimmerin«, »Mann in Vulkan«), die, wie Bachschuster bemerkte, »verschiedentlich den Charakter dreidimensionaler Karikaturen tragen und die Betrachterinnen und Betrachter in Erstaunen versetzen, aber auch zum Nachdenken und nicht zuletzt zum Schmunzeln bringen«. (GEA)