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Aktuell Text und Klang

Starker Auftritt der Reutlinger Kammeroper im Garten des Heimatmuseums

Die Reutlinger Kammeroper führt im Heimatmuseumsgarten ihre neue Produktion »Ich und du, Baum und Regen« auf. Darin wird Trost in einem solidarischen Miteinander gesucht.

Cellist Stephan Meyer und Rezitatorin Magdalena Flade im Reutlinger Heimatmuseumsgarten in der Produktion der Reutlinger Kammero
Cellist Stephan Meyer und Rezitatorin Magdalena Flade im Reutlinger Heimatmuseumsgarten in der Produktion der Reutlinger Kammeroper »Ich und du, Baum und Regen«. Foto: Christoph B. Ströhle
Cellist Stephan Meyer und Rezitatorin Magdalena Flade im Reutlinger Heimatmuseumsgarten in der Produktion der Reutlinger Kammeroper »Ich und du, Baum und Regen«.
Foto: Christoph B. Ströhle

REUTLINGEN. Winni Victors Projekte mit der von ihr gegründeten Reutlinger Kammeroper drehen sich häufig um den Umgang mit Erinnerung und Schmerz. Um Traumata und Gewalt. Oft ist in ihren Regiearbeiten der Hoffnungsschimmer eingewoben, dass Verständnis füreinander und die Überwindung von Gewalt und Entrechtung möglich sind, wenn man den Schmerz des anderen begreift. Und sich die Menschen solidarisieren.

Ihr Stück für zwei Frauenstimmen »Ich und du, Baum und Regen« hat die in Köln lebende junge iranische Komponistin Farzia Fallah den Verfolgten des Mullah-Regimes im Iran gewidmet. Sie war am Freitag dabei, als es im Garten des Reutlinger Heimatmuseums aufgeführt wurde. Die Reutlinger Kammeroper hatte dafür eine weitere Komposition Farzia Fallahs sowie Gedichte der iranischen Lyrikerin Forugh Farrochsad und Aphorismen des Widerstands des argentinischen Lyrikers Antonio Porchia in der Vertonung von Volker Blumenthaler zu einem Stationentheater verbunden. Der Klarinettist Thomas Löffler vom Ensemble Phorminx führte die rund 60 Zuhörerinnen und Zuhörer dabei mit Improvisationen von Station zu Station. Eine weitere Aufführung war am Sonntag im Pfullinger Klostergarten angesetzt.

Sopranistin Ulrike Härter (vorn) und ihre Gesangskollegin Eva Resch bei der Aufführung von Farzia Fallahs Vokalstück "Ich und du
Sopranistin Ulrike Härter (vorn) und ihre Gesangskollegin Eva Resch bei der Aufführung von Farzia Fallahs Vokalstück »Ich und du, Baum und Regen« Rücken an Rücken. Foto: Christoph B. Ströhle
Sopranistin Ulrike Härter (vorn) und ihre Gesangskollegin Eva Resch bei der Aufführung von Farzia Fallahs Vokalstück »Ich und du, Baum und Regen« Rücken an Rücken.
Foto: Christoph B. Ströhle

Die Lyrik Farrochsads ließ in eindrucksvollen Bildern die Sehnsucht nach Unabhängigkeit und Freiheit anklingen. Die Dichterin, die 1967 mit nur 32 Jahren an den Folgen eines Autounfalls starb, zählt zu den bedeutendsten Repräsentanten der iranischen Moderne. Während die Schauspielerin Magdalena Flade die Texte vortrug, wob Stephan Meyer auf dem Cello mit eigener Musik zart-einfühlsame Klänge darum. »Allein die Stimme bleibt« hieß eines der Gedichte.

Bei den Kompositionen Farzia Fallahs waren es die Sopranistinnen Eva Resch und Ulrike Härter, die zwischen Brust- und Kopfregister, Gesangs- und Sprechstimme, Vibrato und Nonvibrato wechselnd, mit Schwebeklängen und auch Vierteltönen eine meditative Grundstimmung schufen. »Ich und du, Baum und Regen« griff dabei das Motiv der Solidarität als sanftem Widerstand mit einem Text des iranischen Dichters Ahmad Schamlou (1925–2000) auf. Für das expressivere »A la garganta« (»Bis zum Hals«) hatte Farzia Fallah einen Text von Federico García Lorca herangezogen, in dem sich in Zeilen wie »Siehst du nicht meine Wunde, die sich vom Herzen bis herauf zur Kehle zieht?« der Schmerz über den Spanischen Bürgerkrieg ausdrückt. García Lorca wurde 1936 von Francos Putschisten ermordet.

Vertonte Sinnsprüche

Der argentinische Schriftsteller italienischer Herkunft Antonio Porchia (1885-1968) wurde mit seiner Aphorismen-Sammlung »Voces«, die er in spanischer Sprache veröffentlichte, weltbekannt. In ihrer Aufführung einiger dieser von Volker Blumenthaler vertonten Sinnsprüche brachten Bariton Florian Hartmann und Cellist Stephan Meyer eher ein Staunen und den Akt der Selbstaneignung zum Ausdruck, als dass sie in sprachphilosophischem Pathos schwelgten. Magdalena Flade sprach die Texte auf Deutsch und schrieb sie auf Papierbändern nieder, die sie in einen Baum hängte. Im Vorbeistreifen zur nächsten Station konnten die Zuhörerinnen und Zuhörer einen Blick auf die Zeilen werfen.

Die Mitwirkenden dieser feinsinnigen, nachdenklich stimmenden Produktion - beteiligt waren auch Anke Niklas (Ausstattung) und Jakobus Stützel (Technik) - und Komponistin Farzia Fallah wurden vom Premierenpublikum am Ende mit herzlichem Applaus bedacht. (GEA)