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Standing Ovations für Stefan Stoppok im Reutlinger franz.K

Kritisches und Albernes aus dem La-La-Land: Singer-Songwriter-Urgestein Stefan Stoppok entzückte das Publikum im vollen franz.K. Sensationell war dabei nicht nur seine Musik.

Bunte Erscheinung, großartiger Musiker: Stefan Stoppok im franz. K in Reutlingen.
Bunte Erscheinung, großartiger Musiker: Stefan Stoppok im franz. K in Reutlingen. Foto: Marion Schrade
Bunte Erscheinung, großartiger Musiker: Stefan Stoppok im franz. K in Reutlingen.
Foto: Marion Schrade

REUTLINGEN.. Er kann nachdenklich und kritisch. Er kann aber auch lustig und ironisch. Er kann großartige Texte schreiben, mit schnodderig-schöner Stimme singen und exzellent Gitarre spielen. Er kann Ballade, Blues und Rock. Stefan Stoppok ist ein Phänomen - und zwar eines, das man unbedingt live erlebt haben muss. Nicht nur die musikalische Qualität, sondern auch die Art, wie der Sänger und Multi-Instrumentalist die Nähe zum Publikum sucht, ist sensationell. Die Reutlinger und Musikfans in der Region wissen das ganz offenbar: Das franz.K war am Donnerstagabend richtig voll.

Das Repertoire des 67-Jährigen ist so bunt wie seine Erscheinung: Stoppok ist ein Hippie im Anzug - er trägt ihn nicht in tristem Business-Grau, sondern in wilden Mustern. In rot-grünem Karo und mit orangefarbener Brille kommt er in Reutlingen auf die Bühne. Kollegen hat er nicht dabei, Stoppok ist seine eigene Band. Vier Gitarren (zwei davon sehen herrlich abgeschrammelt aus), ein bisschen Technik und eine große Bass-Drum, auf der er sitzt und die er mit einem Fuß spielt, reichen.

Stoppok ist seine eigene Band: Vier Gitarren und eine Bass-Box, auf der er sitzt und die er mit einem Fuß spielt, reichen.
Stoppok ist seine eigene Band: Vier Gitarren und eine Bass-Box, auf der er sitzt und die er mit einem Fuß spielt, reichen. Foto: Marion Schrade
Stoppok ist seine eigene Band: Vier Gitarren und eine Bass-Box, auf der er sitzt und die er mit einem Fuß spielt, reichen.
Foto: Marion Schrade

30 Jahre ist es her, dass er sein Album »Happy End im La-La-Land« veröffentlicht hat. Zum runden Geburtstag ist er mit einem Programm rund ums La-La-Land auf Tour, mixt Altes mit Neuem und hat, gut ein Jahr nach seinem Herzinfarkt, sichtlich Spaß daran, noch hier zu sein: »Wer schon tot lebt, spart sich die Beerdigung« ist so eine Lied-Zeile, die ganz gut die Stimmung beschreibt, die Stoppok verbreitet. Bei aller Kritik am System mit seinen Tücken, vor allem denen des Kapitalismus: »Ich bin glücklich, Glück zu haben.« Sorgen macht er sich vor allem um die Menschheit, die sich selber ruiniert, »die Erde wird's schon überleben«, sagt er. Und beschreibt dieses Endzeit-Feeling in einem der neueren Songs: »Komm, wir verjubeln den Rest vom Paradies«.

Der Philosoph Stoppok sinniert hinreißend und herzerweichend über die Liebe und blumenkindmäßig über den Weltfrieden. Der Komödiant Stoppok lästert wunderbar bissig über aufgespritzte Lippen hinterm Steuer, die man im Stau auf der Autobahn überall zu sehen kriegt: »Es ist Bürgerpflicht darauf hinzuweisen, dass das scheiße aussieht!« Damit könne man ja noch nicht mal aus dem letzten Loch pfeifen, findet er und macht die Probe aufs Exempel: Wer im franz.K keinen Ton über die Lippen bringt, ist maximal verdächtig - kollektiver Freispruch, sowas gibt's hier nicht.

Liebe zum Kühlschrank und zu Santana

Wunderbar albern ist auch die Münchhausen-Geschichte, die er mit einem der bekanntesten Songs aus dem La-La-Land, dem »Kühlschrank«, verknüpft. Bei einem Samba-Festival habe er Carlos Santana kennengelernt (»er hat vor mir gespielt«), der sich beim Versuch, das Stoppok-Solo nachzuspielen, die Zähne ausgebissen habe. »Ich hab gesagt: Komm, Karl, mach Dir keinen Kopf, das kommt halt auch aus einem anderen Kulturkreis.« Daran, dass Stoppok seine Gitarre nicht weniger gut im Griff hat als der Latino-Rocker, besteht kein Zweifel: »In 25 Jahren« , vielleicht einen seiner schönsten, tiefsten Songs, veredelt er mit einem ebenso epischen wie virtuosen Gitarrensolo, das zwischendrin fast schon in Richtung AC/DC eskaliert.

»Es ist schön, dem 26. Konzert einer Tour noch etwas Neues abzugewinnen: eine Lücke.« Dass der Liedermacher zwischendrin tatsächlich mal einen Texthänger hat und ihn nicht vertuscht, sondern offen zugibt, entzückt das Publikum genauso wie der ganze Rest: Stehende Ovationen für Stoppok und etliche Zugaben für Reutlingen, darunter das grandiose »Cool durch Zufall«, das von unfreiwillig freigelegten Bauarbeiter-Dekolletés in Maurer-Hosen, Schaschlikspieß-Piercings und anderen Missgeschicken erzählt. (GEA)