BAD URACH. Einen neuen Konzertort mitten in einem bekannten erschlossen sich die Herbstlichen Musiktage in der aktuellen Festivalausgabe. Statt die ganze Amanduskirche zu nutzen – wie im Oratorienabend am Sonntag – zog man am Samstagabend in den Chorraum und machte diesen zum Kammermusiksaal.
Ein neues Raumerlebnis ist das. Wenn das Ensemble 8 Celli, bestehend aus acht Cellistinnen und Cellisten, seinen dunklen, warmen Streicherklang verströmt, klingt das ganz nah und intim im fast voll besetzten Chorraum. Merkwürdigerweise behandelt die Akustik unterm hohen Kreuzrippengewölbe die Sopranistin völlig anders. Im Gesang von Paula Jeckstadt bildet sich weniger Nähe als die Weite des Kirchenraums ab. Wie aus jenseitigen Gefilden hallt ihre Stimme herüber.
Religiöse Naturmeditation
Dieser Kontrast hat seinen Reiz. In Rheinbergers andächtigem »Abendlied« fließen beide Sphären berührend ineinander. Voll Wärme entfaltet sich der Celloklang, während Jeckstadts Gesang, hoch, klar und strahlend, den Klangraum ins Helle öffnet. Später, in Rachmaninows religiöser Naturmeditation »Zdes Khorosho« (»Hier ist es schön«), lässt sie sanft die dunklen Mittellagen strömen, die sich nahtlos mit dem weichen Celloklang verbinden, ehe sich ihre Stimme zum strahlenden Spitzenton erhebt.
Ganz eigen behandelt Heitor Villa-Lobos die Stimme in der »Ária« aus seinen »Bachianas Brasileiras«. Erst schwebt Jeckstadts Sopran als Vokalise leuchtend über dem Cellogrund, ehe sie doch noch Text bekommt – um an Ende als gesummte Melodie wie eine zarte Erscheinung im Raum zu stehen. Wundersame Wandlung, aus der die Sängerin eine Kostbarkeit macht.
Dämonisches Bassrumoren
Die acht Profis an den Celli zaubern ihrerseits. In einer Suite von Tobias Kassung, der selbst da ist, wird anschmiegsame Melodik von dunklem Bassrumoren aufgewühlt, verspieltes Tänzeln von spukhaftem Geistertreiben heimgesucht. Ein Gegensatz, der auch das zwischen dämonischem Poltern und zarter Sehnsucht aufgespannte Prélude g-Moll op. 23 von Rachmaninow umtreibt – ungeheuer zupackend umgesetzt.
Piazzollas »Vier Jahreszeiten aus Buenos Aires« öffnen den acht Klangkünstlern noch ganz andere Möglichkeiten, von Korpus-Trommeln über Bogenholz-Rhythmik bis hin zu weit ausgreifenden, emphatisch ausgesungenen Soli. Natürlich gehört zuckende Tango-Rhythmik dazu, entfaltet sich mitreißend im Chorgewölbe. Das Experiment hat sich gelohnt. (GEA)


