REUTLINGEN. Piaf-Chansons und prägnante Trompetensoli im franz.K, Elektro-Spektakel in der Paketpost, verschrobener Deutschrock im Echaz-Hafen: Musik erschallte beim ersten Kulturpost-Festival auf vier Bühnen. Dass zwei angekündigte Bands nicht auftraten – eine davon wurde kurzfristig wegen rechtslastiger Tattoosymbole eines Bandmitglieds ausgeladen – gehörte zu den wenigen Dämpfern bei der Premiere des dreitägigen Kultur-Spektakels. Ansonsten herrschte beste Stimmung und gerade musikalisch hatte das Kulturpost-Festival einiges zu bieten.
So etwa der Auftritt von Marc Delpy am Freitag in der Paketpost. Mit seinem Begleiter am Akkordeon präsentierte der Franzose eine Auswahl an beswingten Chanson-Klassikern und spannte einen breiten Bogen von Bossa Nova bis Musette. Überaus swingend ging es auch zeitgleich im franz.K zu, als die Stuttgarter Sängerin Barbara Bürkle und der Pianist Thilo Wagner die goldenen Zeiten von Ella Fitzgerald wieder aufleben ließ. Eingängige Kompositionen, die sie mit ihrer klaren Stimme in gekonnt verschleppter Manier vortrug, bestimmten das im Rahmen des Festivals »Jazz im Herbst« ausgetragene Konzert.
Der musikalische Höhepunkt am Freitag – auch was die Besucherresonanz angeht – folgte im Anschluss mit dem Auftritt von Asita Djavadi und dem Pianisten Jan Röck. Wie die Reutlinger Sängerin die unvergessliche Edith Piaf, die Entertainerin Liza Minnelli oder auch US-Sängerin Barbra Streisand wiedergab, sucht in der Region ihresgleichen. Oft nahm sie mit ihrem voll klingenden Musical-Organ in einem Lied mehr Farben an als manch andere Sängerin an einem ganzen Abend. Selbst schauspielerisch überzeugte die zierliche Person mit den dunklen Haaren, spielte ihre durchaus widersprüchlichen Figuren mit Ausstrahlung, Galgenhumor und großen Gefühlen.
Tanzendes Partyvolk
Weit weniger gut besucht waren am Abend die Auftritte des Indiepop-Duos Nordir und der fünfköpfigen Band Tristan Vox im Echaz-Hafen. Während Nordir mit visuellen Effekten, Einspielungen und viel Elektronik punktete, hat Jochen Weeber mit seiner Band die Kraft der Poesie für sich entdeckt. Ruhig sind die deutschsprachigen Lieder, voller Verweise und ergreifender Nachdenklichkeit. Zum Abschluss wurde es dann in der Paketpost nochmal laut und tanzbar: Kaum jemand blieb beim Auftritt von Elektrokowski auf seinem Sitz kleben. Dabei sind die Stücke, die die vierköpfige Band ins Publikum schmetterte, spürbar aus der Improvisation entstanden.
Mit Billy & Miss Daisy startete der Samstag leichtfüßig und sympathisch, denn Marie und Tristan brachten nicht nur bekannte Coverversionen wie »Hit Me Baby One More Time« von Britney Spears, sondern auch eingängige Bad-Liver-Kompositionen akustisch zum Leuchten. Ebenfalls im franz.K stellte Liedermacher Bernhard Haage sein aktuelles Soloalbum vor und Thomas Siffling und sein »Organ Groove 4tet« begeisterten das eng an eng sitzende Publikum mit gepflegtem Wohlfühl-Jazz. Der Trompeter wusste nicht nur humorige Geschichten zu erzählen, es gelang ihm auch scheinbar mühelos, tänzerische Rhythmik und prägnante Trompetensoli auf einen Nenner zu bringen.
Während im franz.K die anspruchsvollen Musikbeiträge über die Bühne gingen, waren im Echaz-Hafen deftiger Rock von Icemo und Bluesrock von Mojopack angesagt. Und in der Paketpost? Da tanzte das Partyvolk zu pluckernden Bühnenraves von Schmidt & Rathmann und zum Punkrock von Such A Small Hand. (GEA)