REUTLINGEN. War da noch was jenseits des Mainstreams von Taylor Swift bis Robbie Williams? Aber ja! Denn eigentlich wird Rock- und Popmusik erst richtig interessant, wo sie mit dem Bekannten bricht, das Unangepasste feiert. Diesem Moment des Widerständigen bietet das franz.K nun schon im neunten Jahr eine Plattform mit seinem »Indi(e)stinction«-Festival. Sieben Konzerte von 14. Februar bis 3. April erwarten die Fans, alle mit Bands, die »Indie« sind, also individuell, und »indistinctive«, also in keine Schublade passend.
Die Spanne ist weit und reicht von der wütenden Spießbürger-Attacke des Duos Augn bis zum verträumten Hoffnungspop von Florian Paul, von feministischen Alltagsspitzen bei Kapa Tult bis zum elektrischen Problemlöser-Sound von Peter Licht. Ergänzt durch US-Indiefolk-Cowboy Dekker, den dadaistischen Elektropunk von »Kochkraft durch KMA« und Punkrock-Pionier TV Smith. Man habe darauf geachtet, viele Altersgruppen und Genres anzusprechen, betonen die franz.K-Booker Frederik Hrusa und Matthias Xander. Pressefrau Laura Haitz ergänzt, dass es wieder das bewährte Festival-Bundle gibt: Wer mindestens drei Konzerte auf einmal bucht, bekommt 20 Prozent Nachlass.
Schimpftiraden mit Maske
Den Auftakt am 14. Februar macht das Berliner Duo Augn: Zwei Typen mit Strumpfmasken, deren wahre Identität noch nicht enthüllt ist. Der eine drischt auf seinen Bass ein, der andere mit seinem Sprechgesang auf alles sonst: Spießbürger, Rechte, die Stadt, in der man gerade auftritt, den Veranstalter, der einen eingeladen hat – und natürlich das Publikum. »Wir sind gespannt, was da auf uns zukommt«, grinst Matthias Xander. »Der Genuss liege hier im Ertragenwollen.«
Trostpop mit Geige
Gegensätzlicher könnte es am 6. März kaum weitergehen, wenn Florian Paul mit seiner Kapelle der letzten Hoffnung verkündet: »Alles wird besser«, so der Titel des im März erscheinenden Albums. Das Ruhrpottgewächs, das an der Münchner Filmhochschule zur Musik gefunden hat und in Berlin mit Musiktheater unterwegs ist, setzt auf tanzbar-melancholischen Indiepop mit Saxofon, Geige, Harmonika und Trompete, irgendwo zwischen Folk, Chanson und Pop. Und ganz viel Hoffnung im Ton.
Feministischer Lo-Fi-Sound
Wieder ganz anders wird's am 24. März beim Leipziger Quartett Kapa Tult, bestehend aus drei Frauen und einem Mann. »Kaktuspop« nennen sie ihren Stil, es wird also stachelig. Aufgespießt werden in punkig-poppiger Lo-Fi-Ästhetik die Widrigkeiten des Alltags, mit denen Frau zu kämpfen hat. Zum Beispiel schlechter Sex, Dates, die als Kaffeekränzchen enden, und Freundinnen, die nie Zeit haben, weil sie gerade die Welt retten müssen.
Mann mit Strohhut
Mit dem US-Singer-Songwriter Dekker kommt am 27. März ein bekanntes Gesicht – genauer: ein bekannter Mann mit unbekanntem Gesicht, das er unter einem breitkrempigen Strohhut verbirgt. Seine akustischen Folkballaden haben das franz.K-Publikum bereits 2022 begeistert. Er spielt solo – was passt zum einsamen Cowboy auch besser als »ein Mann, ein Barhocker, eine Gitarre«.
Anbohrer der Gegenwart
Elektrischen Indiepop präsentiert Peter Licht am Freitag, 28 März. »Alles klar« heißt sein aktuelles Album, mit dem er »die Gegenwart anbohren« will. Und aus dem, was aus ihr herausfließt, einen »Problemlöserpop mit kindlichem Herzen« machen. Der Kölner ist auch als Regisseur und Dichter unterwegs und hat 2007 am Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt teilgenommen.
Elektropunk mit NDW-Vibes
Das männlich-weiblich gemischte Quartett »Kochkraft durch KMA« beschließt die Festival-Hochphase am Samstag, 29. März. Tanzbar bis hin zum Pogen kurven die vier zwischen Elektropunk und NDW-Vibes. Alles mit ein bisschen Dada-Nonsens, der auch im Titel ihres Albums steckt: »Hardcore never dies das« heißt es.
Punkrock-Pionier
Zum Abschluss am 3. April kommt mit TV Smith ein Punkrock-Pionier. Mit The Adverts hat er in den 1970ern das Genre mitbegründet. Als die Gruppe sich Ende der 70er auflöste, machte er erfolgreich solo weiter. Jetzt ist er mit seiner Gruppe The Bored Teenagers da, um alte Perlen und neue Kracher vorzustellen. Unterstützt von der Reutlinger Band The Snacks. (GEA)