REUTLINGEN. Ada ist eine fiktive Frauengestalt, mit der die Leser durch die Jahrhunderte reisen und Kolonialismus, Rassismus und die Diskriminierung von Frauen erleben. Am Freitag las Sharon Dodua Otoo, die 2016 für eine Kurzgeschichte den Ingeborg-Bachmann-Preis verliehen bekam, vor rund 25 Gästen aus ihrem Debütroman »Adas Raum« (320 Seiten, 22 Euro, S. Fischer Verlag, Frankfurt). Im Gespräch mit Rebekka Schön, Referentin vom Entwicklungspädagogischen Informationszentrum Reutlingen (Epiz), erläuterte die Autorin ihre Sichtweisen. Die Lesung in der Reihe »Literatur im Kontext« in Kooperation mit dem Epiz wurde gefördert im Rahmen von »Neustart Kultur«.
Sharon Dodua Otoo ist in London geboren. Ihre Eltern kommen aus Ghana, ihre Söhne wurden in Deutschland geboren. »Viele Orte und Kulturen sind Teil unserer Familiengeschichte«, sagt sie. Diese Vielfalt finde sich auch in ihrem Roman wieder. Ada vereinigt vier Frauen in sich. Sie lebt im Jahr 1459 in Westafrika in einer Frauengemeinschaft und wird mit dem Reisigbesen geschlagen, weil sie die Regeln gebrochen und die als unrein geltende linke Hand benutzt hat. Gegenstände wie der Besen, ein Reisepass, der Türknauf oder ein Raum erzählen die Geschichten jeweils aus ihrer Sicht. »Das nimmt der Thematik etwas die Schwere«, so die Autorin. »Und es weist auch darauf hin, dass schwarze Menschen häufig zu Objekten gemacht wurden.«
Missstände angeprangert
Ada lebt auch 1848 in London, wo sie als Ada Lovelace, Vorreiterin der Informatik, ein – fiktives – Verhältnis mit Charles Dickens eingeht. Das Publikum hörte gebannt zu, wie Otoo in wenigen Sätzen und auch durchaus humorvoll die Beziehung der beiden charakterisiert. Es geht um »ihn«, nicht um »sie«, bis heute. Die Handlung findet in der Zeit einer verheerenden Hungersnot in Irland statt.
Im nächsten Ablauf ist Ada Zwangsprostituierte in einem KZ. »Wie alle anderen Adas gibt sie trotzdem nicht auf«, sagt die Schriftstellerin. Obwohl man die Prostituierte als asozial und »selbst schuld« einstufte, gab es dennoch eine innere Kraft, die sie durchhalten ließ. »Ihre Vorstellungskraft, sich gedanklich an einen anderen Ort zu begeben, rettet sie.« Es gebe Diskriminierung und Sexismus, doch trotz dieser äußeren Umstände sei man nicht chancenlos. »Es gibt eine Möglichkeit zum Widerstand.« Auch im täglichen Leben müsse man sich damit abfinden, dass man manchmal Kompromisse machen und seine eigenen Vorstellungen nicht vollständig durchsetzen könne. Die vierte Ada schließlich lebt im heutigen Berlin, Thema ist die Schoa.
Immer wieder schafft es die Autorin, den komplexen Themen, die der Roman aufgreift, durch ihre eigene Positivität und ihre lebendig-humorvolle Lese- und Erzählweise eine gewisse Leichtigkeit zu geben, sie »verdaulich« zu machen. Gleichwohl lässt die Aktivistin der Initiative »Schwarze Menschen in Deutschland« keinen Zweifel daran, dass es ihr ernst damit ist und sie nicht aufhören wird, Missstände anzuprangern. An die Lesung schloss sich eine Diskussion mit dem Publikum an. (GEA)