STUTTGART. Für mich gab es musikalisch immer zwei No-Go’s: Schlager und Metal. Schlager, weil mir die Idee von deutscher Volksmusik in Kombination mit Maßkrügen und Bierzelten immer suspekt war. Ich wollte nie Malle zurück, so wie in diesem Johnny-Depp-Song, weil ich noch nie auf Malle war und auch nicht vorhabe, da mal hinzugehen.
Mit Metal war es anders, die Berührungspunkte waren da, aber irgendwie war mir diese Form von Rock immer zu einseitig: zu wenig Melodie, zu wenig Beat – und meistens versteht man vor lauter Geschrei die Texte gar nicht. Aber woher soll man eigentlich wissen, dass man etwas nicht gut findet, wenn man es noch nie wirklich erlebt hat? Das habe ich mich im Bezug auf Metal gefragt und mir deshalb am Samstag in der Schleyerhalle in Stuttgart die Band Slayer angeschaut.
Nach der Tournee soll Schluss sein
Slayer ist eine der vier großen Bands im Thrash-Metal, neben Metallica, Anthrax und Megadeth. Die Band will sich nach der aktuellen Tournee auflösen, wieder mal; immer wieder gab es Querelen innerhalb der US-amerikanischen Rock-Combo.
Die Kalifornier befinden sich also auf Abschiedstournee, das Konzert in Stuttgart soll ihr letztes in Europa sein. Dementsprechend war das Konzert ausverkauft. Schon in der U-Bahn zur Halle bemerke ich meinen Fehler. Ich bin tatsächlich die einzige Person, die ein weißes T-Shirt angezogen hat. Nur schwarze Kleidung und Kutten um mich herum.
Trotz meines weißen T-Shirts schaffe ich es durch die bärtigen Metaller hindurch in die Halle. Als Slayer anfangen zu spielen, fühlt es sich so an, als würde jemand mit dem Presslufthammer mein Gehirn bearbeiten. Ich gehe auf viele Konzerte, aber so laut war es noch nirgends. Ein netter Metaller aus dem Publikum merkt mir an, wahrscheinlich wegen des weißen T-Shirts, dass ich neu in diesem Gewerbe bin und gibt mir einen Klumpen Wachs. »In die Ohren stopfen«, schreit er über den Lärm hinweg. Damit hat er vermutlich meine Trommelfelle gerettet. Fast alle im Publikum tragen Ohrenstöpsel, das ist auch verständlich. Die Aufnäher auf ihren Jeans- und Lederkutten verraten, dass das gerade nicht ihr erstes Slayer-Konzert ist.
Slayer spielen durch und machen kaum Pausen zwischen den Songs. Gary Holt, der Rhythmusgitarrist, trägt ein T-Shirt, auf dem »Kill the Kardashians« steht. T-Shirts von Metalbands sind in den letzten Jahren zum Modetrend geworden. Instagram-Influencer kombinieren sie mit verwaschenen Vintage-Jeanshosen. So zum Beispiel Kendall Jenner, die von einem Paparazzo 2014 mit einem Slayer-Shirt fotografiert wurde. Die Band fand das nicht lustig, seitdem tritt Holt regelmäßig mit diesem T-Shirt auf.
Jeder headbangt für sich allein
So aggressiv wie der Spruch auf dem Shirt sind die Metaller zu der aggressiven Musik von Slayer aber überhaupt nicht. Es wird kein Pogo getanzt (ein wildes Herumhüpfen, bei dem man sich gegenseitig schubst wie beim Autoscooter, d. Red). Stattdessen headbangt jeder für sich vor sich hin und ist froh, diese legendäre Band noch mal zu sehen.
Am Ende wird es heiß, auf der Bühne wird viel Feuer herumgeschossen. Hinter dem Drum-Set brennen zwei Slayer-Zeichen, während Frontmann Tom Araya den Song »Raining Blood« in das Mikrofon schreit. In der Halle fliegen die Haare der Metal-Fans nur so durch die Gegend. Diese headbangende Menge könnte bestimmt Strom erzeugen.
Irgendwie war es am Ende doch eindrucksvoll. Vielleicht sollte man öfters mal seine persönlichen No-Go’s überdenken und sich zum Beispiel auch mal ein Slayer-Konzert anschauen. (GEA)