Die Musik, die ab der ersten Sekunde alle bejubelten, wird als Volks-Rock’n’Roll etikettiert vom Steirer und emsigen Marketing-Experten. Für einen Gabalier-Hit mixt man Schlager und Deutschrock, Hüttengaudi und Elvis-Tolle, Schmäh und Klischee. Mit diesem Rezept ist der Lederhosenrocker aktuell eines der zündendsten Phänomene im Musikgeschäft, nicht weit hinter Helene Fischer.
Und es läuft tatsächlich wie geschnitten Brot, das zeigte das etwa zweieinhalb Stunden dauernde Konzert. Der Mann ist eine Rampensau und kann problemlos Hallen dieser Größe garkochen. Von der ersten Begrüßung »Servas, habe die Ehre« bis zum berühmten Hüftschwung, steirisch »Oasch-Wackler«: Der Mann ist ein alpines Tier. Ein Grinse-Lausbub, dem die Frauen auf Aufforderung freudig ihre BHs anreichen, auf dass er sie auf seinen Hirschgeweih-Mikrofonständer drapiert, in bester Trophäenjägermanier. »Jojo, des Steirerland, des is mei Heimatland«, singen mit ihm zehntausend nichtsteirische Kehlen so inbrünstig und nicht zutreffend, wie man es zuletzt wohl bei Grönemeyers »Bochum« hörte.
Um den Fakten gerecht zu werden: Der abgebrochene Jurist spielt gut Harmonika und Klavier, ebenso Gitarre. Ohrwürmer schreibt er regelmäßig. Seine Röhrenstimme kann er bei Balladen pastellfärben, seine Bühnenshow geizt nicht mit Effekten, nur die Akustik der Schleyerhalle war am Donnerstag eher Mittelklasse.
Und ja, da ist viel Show. Seine Elvis-aus-den-Alpen-Kunstfigur wird konsequent durchdekliniert. Texte drehen sich um Rehlein und Sennerinnen, um kleine Häuserl und fesche Maderln. Dazu gehören auch emotionale Familien-Geschichten wie die bei jedem Konzert thematisierten Selbstmorde seines Vaters und seiner Schwester und neuerdings die Krebs-Erkrankung von Freundin Mimi. Und dazu gehört ein veritabler Werbeblock auf den Leinwänden, mit Marken von Müller-Milch bis Steiermark-Genussapfel.
Die Halle tobt und schunkelt und winkt und smartphoneblinkt zu all dem. Glückliche Menschen, wohin man schaut. Andreas Gabalier scheint eine tiefe Sehnsucht zu stillen – nach einer jüngeren, nicht muffigen Heimeligkeit, nach Heimat, nach simplen Mann-Frau-Beziehungskonstellationen. Es könnte so schön sein.
Er sei einer, der eine Meinung habe und dazu stehe, auch wenn er dafür Kritik abbekomme, verkündet Gabalier beim Konzert und lässt sich bejubeln. Ja, Kritik. Regelmäßig sagt und tut er öffentlich Dinge, die homophob oder frauenfeindlich wirken. In Interviews steuert er gegen. Was er jüngst auf Facebook notierte, klang nach Nähe zur rechtspopulistischen österreichischen Partei FPÖ. Seine Plattenfirma zensierte. Ob sie das wohl alle wissen, die 12 500 Jubelnden in ihrer Partystimmung? Heimatverbundenheit verkauft sich bestens. Der dumpfe Beigeschmack hoffentlich nicht. (GEA)