STUTTGART. Alle paar Jahre kehrt die große Flamenco-Tänzerin Maria Serrano für umjubelte Gastspiele ins Stuttgarter Theaterhaus zurück. Dieses Mal präsentierte die Spanierin nicht nur die Weltpremiere ihres neuesten Programms, sondern hatte auch ihre jüngere Schwester Alba dabei, frisch vom Konservatorium in Sevilla sozusagen.
Um das unmittelbare Aufeinandereingehen, das direkte Einfühlungsvermögen der beiden ging es in »Intuición«, zu Deutsch natürlich Intuition: klassisch im traditionellen Rüschenkleid mit Stola oder modern in engen Hosen und Bolero. Intuición bewiesen aber nicht nur die beiden großartigen Tänzerinnen, deren ganz persönliche Stilnuancen für subtile Spannung sorgten, sondern auch die sechs Musiker, die in den musikalischen Zwischenspielen des zweistündigen Programms mit solistischen Einlagen glänzten und zwischendurch munter von den arabisch beeinflussten Flamenco-Gesängen zum Jazz abschweiften.
»Vulkanisches Ereignis«
Gleich eine ganze Generation ist die 18-jährige Alba Serrano jünger ist als ihre berühmte Schwester. Sie trägt zwar das gleiche markante, strenge Profil wie Maria, ist aber größer und schmaler, wirkt vor allem in den Armbewegungen eleganter und als Persönlichkeit auf den ersten Blick kühler. Wo aus der älteren Schwester die Emotionen oft wild und hart hervorbrechen (nicht ohne Grund hat ihr Entdecker André Heller sie als »Vulkanisches Ereignis« bezeichnet), wo Maria Serrano ihre Leidenschaft pur und direkt verströmt, da brodelt es bei Alba Serrano lange unter der Oberfläche, bevor sie hinter die stolze Fassade blicken lässt und sich der Furor des Flamencos seine Bahn bricht.Gerade die Duos der beiden Schwestern, die rein formal mit Parallelen und Spiegelungen spielen, lebten bei aller exakten rhythmischen Übereinstimmung, bei aller Intuition von diesem faszinierenden Gegensatz, der die ganze Bandbreite und Vielfalt dieses traditionellen spanischen Tanzstils offenbarte.
Während Alba Serranos elegantes, fließendes Solo nicht in einer der üblichen triumphierenden Posen endete, sondern mit nachdenklichen Schritten hinaus ins Dunkel, tanzte die ältere Schwester in ihrem zweiten Solo eine Art Duett mit den Stimmen der Sänger, bewies sich im rhythmisch komplizierten, aber rasenden Trommeln der Absätze als absolute Virtuosin ihres Faches. (GEA)