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Schlagerbarde als Mordermittler: Kobr, Kuhn und Feldtkeller in Tübingen

Als Schlagerbarde ist Dieter Thomas Kuhn eine Marke für sich. Aber kann er auch einen Mordermittler verkörpern? Bestsellerautor Michael Kobr machte den Test beim gemeinsamen Auftritt im Tübinger Kino Museum.

DTK singt, Philipp Feldtkeller spielt, Michael Kobr lauscht: Musikeinlage beim Auftritt im Kino Museum.
DTK singt, Philipp Feldtkeller spielt, Michael Kobr lauscht: Musikeinlage beim Auftritt im Kino Museum. Foto: Armin Knauer
DTK singt, Philipp Feldtkeller spielt, Michael Kobr lauscht: Musikeinlage beim Auftritt im Kino Museum.
Foto: Armin Knauer

TÜBINGEN. Auf die Rolle des Schlagerparodisten festgenagelt zu sein, hat dem einstigen Progrocker Thomas Kuhn schon länger nicht behagt. Ein Neustart mit englischem Pop floppte, also gibt Kuhn auf den großen Bühnen weiter den DTK. Sein anderes Ich lebt er stattdessen in kleineren Formaten aus. Zuletzt mit Erfolg bei Lesungen mit Musik. Was nicht zuletzt an Lisa Federle lag. Erst ging die DTK-Combo der Notärztin bei ihrem Corona-Testzentrum zur Hand, man hatte ja in Pandemiezeiten sonst nichts zu tun. Einmal aufeinander eingespielt, begleitete man die Tübinger Medizinerin musikalisch auf ihrer Lesetour.

Nun brachten Kuhn und sein Gitarrist Philipp Feldtkeller ein musikalisches Leseformat gemeinsam mit »Kluftinger«-Miterfinder Michael Kobr auf die Bühne. Immerhin im großen Saal des Kino Museum – das mit den »kleinen Formaten« nimmt so langsam auch schon üppige Ausmaße an.

Kunst des Geplänkels

Der Allgäuer Autor und die beiden Tübinger Schlagerexperten finden dabei zu einer ganz eigenen Mischung zwischen Krimilesung, Kleinkunst und Lagerfeuermusik. Sehr amüsant, sehr unterhaltsam. Was sie dabei zur eigenen Kunstform ausbauen, ist die Disziplin des frotzelnden Geplänkels. Kobr und Kuhn ergänzen sich dabei in einem köstlichen Kontrast: hier der einstige Französischlehrer Kobr mit seinem knackigen Allgäuer Akzent, dort der einstige Masseur und medizinische Bademeister Kuhn, der im Zwist mit seiner damaligen Französischlehrerin von der Schule schied.

Kobr liest aus seinem zweiten Bornholm-Krimi »Nebel über Rønne« und drückt Kuhn dabei ganze Passagen aufs Auge. Vor allem in der Rolle des blonden Ermittlers und Frauenschwarms Lennart Ipsen sieht Kobr den Sänger als Idealbesetzung. »Sollte es eine Verfilmung geben, dann müsstest unbedingt du den Lennart spielen«, lässt Kobr seiner Begeisterung freien Lauf.

Drei Tote im Flieger

Als Lennart hat Kuhn ein Problem. Auf der dänischen Urlaubsinsel Bornholm, wo der ausgebrannte Kommissar eine ruhige Kugel schieben wollte, ist ein kleines Privatflugzeug gelandet – alle drei Insassen sind tot. Von seiner Kollegin Britta lässt Lennart sich überreden, die Ermittlungen nicht an die Zentrale in Kopenhagen abzugeben. Doch das Ganze ist undurchsichtig.

Kuhn bewährt sich als Vorleser – und gleitet flugs in einen Song, wenn es inhaltlich passt. »Isn't it ironic« von Alanis Morissette macht den Anfang, weil Lennart das beim Landeanflug auf Bornholm hört. Und ja, Kuhn kann wunderbar auch Pop singen mit den warmen, rhythmischen Gitarrenklängen Feldtkellers im Rücken. Natürlich kommt gleich »Über den Wolken« hinterher.

Wie Kuhn zu DTK wurde

Richtig witzig wird es, als Kobr und Kuhn Auszüge aus einer Dieter-Thomas-Kuhn-Biografie lesen, die sie bei einem langen Wochenende in der Schweiz mal angefangen, aber nie vollendet haben. Kuhns Clinch mit der Französischlehrerin Madame Ducas, der zu seinem Schulabbruch führte, ist Situationskomik pur – und mündet natürlich in den Udo-Jürgens-Schmachtfetzen »Merci, Chérie«. Der zweite Textauszug über die Erschaffung der Kunstfigur DTK in einer Bademeisterkabine des Uniklinikums ist nicht weniger erheiternd. Vor allem, weil Kobr eine denkwürdige PR-Foto-Session um ein erotisches Nachspiel erweitert, das Kuhn energisch abstreitet.

Überhaupt ist man mindestens so oft am Streiten wie am Lesen. Spricht sich »Linoleum« mit Betonung auf dem »o« oder nicht doch eher auf dem »e«, also wie »Mausoleum«? Wird bei einer »Böe«, wie sie in Dänemark öfter zu erleben ist, das »e« gesprochen oder nicht? Sicher ist nur: Kuhn wühlt sich mit beachtlicher Emotionalität durch Hits wie »Ein Bett im Kornfeld«. Und gewinnt auch Brecht-Weill-Songs wie dem »Lied von der sexuellen Hörigkeit« aus der »Dreigroschenoper« starken Reiz ab. Einem »Dreigroschenopern«-Projekt mit Kuhn als Sänger zog einst der Suhrkamp-Verlag den Stecker. Nächstes Jahr läuft der Urheberschutz ab. Vielleicht wird das ja noch was. (GEA)