BERLIN. Ihre erste Rolle spielte Nicolette Krebitz als Elfjährige neben Harald Juhnke in »Sigi, der Straßenfeger«. Heute ist die inzwischen 52-jährige Berlinerin nicht nur als Schauspielerin (»Bandits«), sondern auch als Regisseurin (»Das Herz ist ein dunkler Wald«) erfolgreich. Nach ihrem letzten Regiefilm »A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe« holte sie Tom Tykwer (»Lola rennt«) jetzt wieder vor die Kamera. In »Das Licht« spielt sie die Mutter von drei Kindern, die in ihrer Familie keinen Halt mehr hat. Erst durch die neue syrische Haushälterin gerät die Familie auf eine neue Bewusstseinsebene. Wir trafen Nicolette Krebitz in Berlin.
GEA: Sie standen das erste Mal für Tom Tykwer vor der Kamera. Aber sie kennen sich doch schon länger ...
Nicolette Krebitz: Ja, ich kannte Tom bisher eher als Produzent. Er hat meinen ersten Regiefilm »Jeans« ins Kino gebracht und »Das Herz ist ein dunkler Wald« mitproduziert. Er hat mich als Regisseurin immer unterstützt, und wir haben uns auch oft unsere Drehbücher zu lesen gegeben oder gegenseitig frühe Schnittfassungen unserer Filme gezeigt. Dass er mich als Schauspielerin anfragt, war neu für mich.
Hat er Sie als Schauspielerin übersehen?
Krebitz: Ich habe nie darüber nachgedacht. Wir hatten eher eine Verbindung von Filmemacherin zu Filmemacher. Dann ist mir schon aufgefallen, dass ich wahrscheinlich die einzige deutsche Schauspielerin bin, die nicht bei »Babylon Berlin« mitgespielt hat. Umso mehr freue ich mich, dass nun dieses Projekt zustande gekommen ist.
Haben Sie sich nicht gefragt, warum jetzt?
Krebitz: Mir ist erst Schritt für Schritt klar geworden, warum. Es ist eben ein sehr persönlicher Film für ihn, mit dem er sehr viel von sich selber preisgibt. Als seine enge Freundin war es vielleicht vorstellbarer für ihn, weil ich natürlich achtsam mit ihm umgehe.
Wie haben Sie sich der Rolle der Milena genähert?
Krebitz: Mir war vorher nicht klar, wie oft ich Figuren spiele, die immer so ein Stück Projektion behalten. In die das Publikum etwas reinprojizieren kann. Bei Tom sind es jedoch ganz konkrete Figuren. Milena ist so, wie sie ist, da gibt es keinen Platz für Vermutungen. Sie nimmt ihren Raum ein. Für mich als Schauspielerin war das auch ein bisschen Neuland.
Inwiefern?
Krebitz: Vielleicht ist mein Stil, ein bisschen im Ungreifbaren zu bleiben. Das geht bei Tom nicht, und da hat er mich auch echt herausgefordert und getriezt. Milena ist in ihrer Selbstausbeutung und Schutzlosigkeit, in die sie sich reinbegibt, gnadenlos. Ich habe das als Extremerfahrung empfunden, wie sie leidet und kämpft. Im Film sind aber irgendwie alle Figuren schutzlos.
Kommt das auch durch Lars Eidinger zum Ausdruck, wenn er die Wohnung betritt und sich erst mal aller Kleider entledigt und eben schutzlos ist?
Krebitz: Ja, Nacktsein im Film ist auch ein Kostüm. Das hat er sich so kreiert, aber es stand, glaube ich, auch im Drehbuch.
Im Film regnet es permanent. Wie schwierig war es, sich darauf ständig einzulassen?
Krebitz: Das hilft natürlich beim Spielen, weil das ein dramatisiertes Vehikel ist. Aber natürlich war es auch anstrengend, besonders für die Garderobieren, die alles wieder doppelt und dreifach trockenföhnen mussten. Wir haben uns irgendwie daran gewöhnt.
Dann gibt es noch die Tanzszenen, die wahrscheinlich angenehmer waren?
Krebitz: Ja, das war toll. Ich komme ja vom Tanz, was aber schon lange her ist. Jetzt durfte ich wieder – wir haben einen ganzen Monat geprobt. Unser Choreograf Oleg Stepanov kam von Pina Bausch. Er ist direkt mit uns auf die Straße gegangen, hat dort die Choreografie mit mir und meinen Fähigkeiten entwickelt.
Wo genau wurde gedreht?
Krebitz: In Schöneberg, in der Nähe des Alten St. Matthäus Friedhofs an der Crellestraße. Wir haben den Tanz zusammen auf einer nicht abgesperrten Straße entwickelt, und um uns herum schauten viele Leute aus den umliegenden Wohnhäusern zu. Aber das störte uns nicht (lacht).
Was war letztlich am anstrengendsten für Sie?
Krebitz: Wahrscheinlich die Tauchszenen, für die wir zwei Wochen lang tatsächlich unter Wasser drehten, in einem riesigen Pool in Babelsberg. Ich selbst tauche nicht so gern, aber wir haben früh angefangen zu trainieren. Das muss man auch, denn normalerweise kann man etwa 45 Sekunden die Luft anhalten. Wir aber mussten anderthalb Minuten schaffen.
Das klingt sportlich ...
Krebitz: Lars ist sogar auf über zwei Minuten gekommen. Wir hatten ja lange Spielszenen unter Wasser und waren zu acht. Das heißt, wir mussten alle auf ein Level kommen. Tom hat seine Regieanweisungen über Lautsprecher gegeben und man konnte ihn – obwohl unter Wasser – erstaunlich gut hören. Seine Stimme war ganz ruhig und führte uns durch die Szene – das war sehr meditativ und total irre.
Inwieweit ist »Das Licht« für Sie als Berlinerin auch ein Berlin-Film?
Krebitz: Ich sehe in dem Film das Berlin, so wie ich es kenne und mag. Oft denkt man in Filmen, die in Berlin spielen, dass da etwas verkauft wird, was es gar nicht gibt. Tom hat penibel darauf geachtet, dass man von Kreuzberg nicht plötzlich in Charlottenburg ist. Etwa die Fahrradjagd in der Skalitzer Straße. Das sind auch für mich wichtige Berlin-Spots.
Haben Sie eigentlich selbst mal dieses stimulierende Licht im Film ausprobiert?
Krebitz: Ja, diese Lampen gibt es wirklich. Aber ich brauche sowas nicht. Keine Stimulanzien, auch keine Drogen. Auf diesem Sektor bin ich überhaupt nicht unterwegs. Mein Gehirn muss ich eigentlich immer nur beruhigen, weil ich sowieso schon zu viel Input kriege (lacht). (GEA)
»Das Licht«, seit 20. März in den Kinos