BERLIN. Wenn man gleich mit zwei Filmen ins Kino kommt, kann das sehr anstrengend sein. Barbara Sukowa (73) tingelte jetzt wochenlang umher, um für die Filme »Dalíland«, in dem sie die Frau von Salvador Dalí (gespielt von Ben Kingsley) verkörpert, und »Enkel für Fortgeschrittene«, in dem sie zusammen mit Maren Kroymann und Heiner Lauterbach als Rentnerin einen Schülerladen führt, die Werbetrommel zu rühren. Kürzlich kam sie auch nach Berlin, wo wir sie zum Interview getroffen haben. Etwas erschöpft, freut sich die Schauspielerin, die bereits in den 1980ern als »Lola« (Regie: Rainer Werner Fassbinder) und »Rosa Luxemburg« (Regie: Margarethe von Trotta) Weltruhm erlangte, wieder nach Hause in New York zu können.
GEA: Was empfinden Sie, gleich mit zwei neuen Filmen im Kino zu starten?
Barbara Sukowa: Verrückt, aber auch besonders, weil das die zwei gegensätzlichsten Rollen sind, die ich gespielt habe. Gala aus »Dalíland« war mehr eine schauspielerische Herausforderung, und Philippa aus »Enkel für Fortgeschrittene« war die entspanntere Arbeit für mich. Ich hatte ja schon beim ersten Film so viel Spaß.
Ist es nicht auch sehr herausfordernd, mit Kindern zu spielen?
Sukowa:Das mache ich wahnsinnig gern. Bei den kleineren Kindern im ersten Teil war das noch mehr so ein Beobachten, und bei den Teenagern im zweiten Teil hört man mehr zu, was sie erzählen, und stellt ihnen Fragen.
Was haben Sie für Fragen an junge Menschen?
Sukowa: Ach, sie haben auch uns gefragt und gesagt, dass wir eigentlich die Welt vergeigt haben, was ja auch im Film vorkommt. Die ganzen Katastrophen, die jetzt auf sie zukommen, von Krieg bis Umwelt. Das hat unsere Generation zu verantworten.
Wie schuldig fühlen Sie sich?
Sukowa: Vielleicht nicht ich persönlich, aber trotzdem sehen sie das so, dass die vorherigen Generationen daran Schuld haben. Ich glaube auch, junge Menschen haben immer das Bedürfnis, sich mit etwas zu beschäftigen, was eigentlich größer als sie selbst ist. Das haben wir damals auch gemacht.
Sie meinen die 68er-Bewegung?
Sukowa: Genau, 68 wollten wir auch die Welt retten. Ob das nun die Hippies oder politisch Engagierten waren, es war immer etwas, was über einen selbst hinausging. Gruppe ist in dem Alter auch sehr wichtig. Man definiert sich darüber, mit wem man zusammen sein will und welche Meinungen man teilt. Das fängt oft damit an, indem man etwas ablehnt.
Haben Sie nicht das Gefühl, dass durch Ihre Generation gesellschaftlich viel verändert wurde?
Sukowa: Man kann sehr gute Intentionen haben, aber irgendwie scheint alles immer wieder aus dem Ruder zu laufen und man fühlt sich machtlos. Ich werde sicherlich bald irgendwann abtreten. Man geht dann aus der Welt und sagt sich, die Menschheit ist doch bekloppt, sie hat nichts gelernt.
Woran denken Sie dabei?
Sukowa: Wer hätte gedacht, dass wieder Krieg in Europa ist? Dass sich Menschen streiten und militärisch immer wieder aufrüsten, ist doch absurd, wenn man bedenkt, was für eine kurze Zeit wir im Leben haben.
Gibt es dennoch etwas, wofür sich die 68er-Bewegung auf die Schulter klopfen kann?
Sukowa: Ich denke schon, dass wir im zwischenmenschlichen Bereich etwas bewirkt haben, besonders bei Eltern und Kindern. Anfangs war das noch sehr extrem mit antiautoritärer Erziehung, aber irgendwann hat sich das eingependelt.
Haben Sie Ihre Kinder antiautoritär erzogen?
Sukowa: Nicht so richtig. Ich habe die Erziehung wahnsinnig ernst genommen und kaufte keine Industrienahrung. Ich mahlte sogar Mehl selbst, damit das Kind gutes Essen kriegt. Trotzdem habe ich versucht, den Kindern manches beizubringen, was viele Freunde von mir ablehnten. Etwa, dass man »Bitte« und »Danke« sagt und Leuten in die Augen schaut, wenn man »Guten Tag« sagt.
Kommen wir zu Ihrem zweiten Film, in dem Sie Salvador Dalís Ehefrau spielen, die wohl genauso exzentrisch war wie er. Ist das eine Wesensart aller Künstler?
Sukowa: Keine Ahnung. Die Leute, mit denen ich gearbeitet habe, waren nie besonders exzentrisch. Da hatte ich Glück, mit unheimlich netten Kollegen zu arbeiten. Selbst Helmut Berger, der ja als exzentrisch galt, war sehr lieb und zuvorkommend.
Und wie sieht’s mit der eigenen Exzentrik aus?
Sukowa: In Rollen kann ich vielleicht exzentrisch sein, aber im Leben nicht. Irgendjemand hat mal gesagt: »Man muss ein langweiliges Leben führen, um ein aufregender Künstler zu sein.« Ich finde, da ist was dran.
Was treibt Sie an, Ihren Beruf weiterhin auszuüben?
Sukowa: Die Freude an der Arbeit. Und ich lerne gern Menschen kennen. Wenn mir jemand eine gute Geschichte vorlegt, und es ist ein Mensch, der mir dazu noch sympathisch ist, bin ich gern dabei.
Sie leben seit 30 Jahren in New York. Werden Sie dort schon mal auf der Straße erkannt?
Sukowa: Man hat mich nie erkannt, weder hier noch drüben. Das passiert ganz selten. In New York vielleicht mal, weil ich in der Serie »12 Monkeys« und zuletzt in dem Film »Air« mitgespielt habe. Aber es ist nicht so, dass ich von Fans überrannt werde (lacht).
Welche Bindung haben Sie noch zu Deutschland?
Sukowa: Einer meiner Söhne lebt mit meiner Enkeltochter in Berlin. Insofern versuche ich, immer viel hier zu sein und in Deutschland zu arbeiten. Mindestens einmal im Jahr. (GEA)
Im Kino: »Enkel für Fortgeschrittene« und »Dalíland«