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Aktuell Roman

Schatten des Diktators

Daniel Gräfe erzählt von einer Liebe, die von traumatischen Kindheitserfahrungen überschattet wird

Daniel Gräfe: Wir waren Kometen. 248 Seiten, 24 Euro, Danube Books, Ulm.
Daniel Gräfe: Wir waren Kometen. 248 Seiten, 24 Euro, Danube Books, Ulm. Foto: Pr Public Relations
Daniel Gräfe: Wir waren Kometen. 248 Seiten, 24 Euro, Danube Books, Ulm.
Foto: Pr Public Relations

STUTTGART. Da scheinen sich zwei gefunden zu haben: der Schwabe Lukas und die Rumänin Luba, beide Anfang dreißig, in Berlin gestrandet. Unschlüssig, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, treiben sie in eine bittersüße Romanze voll traumverlorener Spiele am Nikolassee. Doch Luba schleppt schweren Ballast mit sich herum: Als freiheitsliebendes Kind geriet sie in die Mühlen des Ceau s¸escu-Regimes. Nun ist der Diktator tot, aber den Verrat ihrer Eltern, die sich auf seine Seite schlugen, wird Luba nicht mehr los. Was das heißt, will Lukas, der behütet aufgewachsene Stuttgarter, ergründen – und kann es doch nicht. Der Bruch ist unvermeidbar und Luba weg.

Aber da fängt die Sache erst an in Daniel Gräfes Debütroman »Wir waren Kometen«. Lukas gelingt es nun seinerseits nicht, Luba hinter sich zu lassen. Irgendwann bricht er Hals über Kopf auf, um sie zu suchen, die angeblich zurück nach Rumänien gegangen ist, um sich den Dämonen ihrer Vergangenheit zu stellen.

Fluss als Leitmotiv

Daniel Gräfe, 1971 in Biberach geboren, ist als Autor kein Unbekannter. Als Journalist arbeitet er für die Stuttgarter Zeitung, Reportagen führten ihn nach Afrika, Asien, in den Nahen Osten. Sein Debütroman »Wir waren Kometen« setzt von Beginn an auf ein konsequent poetisches Erzählen. Wie Traumbilder entstehen aus seinem Sprachfluss die Szenen, an denen die Vorstellungskraft des Lesers mitweben muss. Szenen, die sich in ihrer Traumartigkeit an der Härte der Realität reiben.

Was dann auch das tiefer liegende Thema ist. Kann das zarte Gewebe dieser jungen Liebe den Härten des Alltags standhalten? Notwendigkeiten wie dem Broterwerb? Und hält diese Liebe die Traumatisierungen der Vergangenheit aus – mitsamt der Tatsache, dass jemand von außen wie Lukas sie niemals vollständig nachvollziehen können wird?

Im Roman entfaltet sich das als tragikomisches Roadmovie, in dem Lukas auf der Suche nach seiner Exfreundin zunehmend hilflos durch Osteuropa kurvt. Unterbrochen von Tagebucheintragungen Lubas, über die Lukas in einen imaginären Dialog mit ihr tritt. Unterwegs treten Anhalterinnen und Anhalter in sein Leben und führen ihn auf Abwege. Ein alternativ angehauchter Jungbauer in der Walachei verwickelt ihn in eine wodkaschwangere Hochzeitsfeier. Surreales trifft auf Groteskes, zunehmend verliert Lukas im fremden Land den Boden unter den Füßen. Die Lösung scheint im Heimatort Lubas zu liegen, in Giurgiu. Oder in Bukarest. Oder irgendwo weit im Osten in den endlosen Sümpfen des Donaudeltas. Fragt sich, ob er dort jemals ankommen wird.

Im Innersten ist es auch ein Roman über den verwickelten Versuch von West und Ost, sich gegenseitig zu verstehen. Was unmöglich scheint und doch alternativlos ist. Und was Gräfe geografisch sehr sinnig an einem Fluss als Leitmotiv aufzieht, der als unscheinbarer Bach im Schwabenland anfängt und als großer Strom in Osteuropa mündet. (akr)