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Schätzchen aus dem Archiv

REUTLINGEN. Es war wie aus dem Rezeptbuch. Man nehme gut gekleidetes Publikum mit eher grauen Haaren und lasse es nach und nach in eine Halle schlendern. Füge eine Big Band hinzu, die mit gut sitzenden Anzügen und dem gebotenen Elan auf die Bühne geflitzt kommt. Setze ans Klavier einen Bandleader, der dem Publikum meist den Rücken zeigt und dennoch spüren lässt, dass über allem sein pfiffiges Augenzwinkern schwebt. Würze das Ganze dann mit einem Publikumsliebling, der Refrains liebevoll ins Mikrofon haucht und die Pausen mit Geplauder veredelt. Bei der Zubereitung kann die Anzahl der Mikrofonnutzer je nach Geschmack variiert werden.

Am Freitagabend in der Reutlinger Stadthalle waren es zwei: Götz Alsmann, der schon traditionell zum Jahresbeginn eine Konzertreise mit der SWR Big Band unternimmt, hat diesmal Klaus Hoffmann eingeladen. Sie sangen im Wechsel und erst in einer Zugabe gemeinsam.

Seltene Gänsehautmomente

Klaus Hoffmanns musikalische Verdienste können jüngere Menschen notfalls bei Wikipedia nachlesen. Seit 1975 mehr als 30 Alben veröffentlicht, enger Freund von Reinhard Mey, mutmaßlich bester deutscher Jacques-Brel-Interpret: Heute erlebt man den Altachtundsechziger als sacht peinlichen Vertreter der Gattung Altherrenwitz, zumindest solange er redet.

Aber der vom Leben deutlich Gezeichnete hat eine noch immer beeindruckende und bewegende Stimme. Er sorgte für die seltenen Gänsehautmomente des Abends, »Bitte geh’ nicht fort«, ne me quitte pas.

Damit relativierte er Götz Alsmann. Denn der Star des Abends kultiviert nicht nur seine Haartolle, sondern auch einen sehr manirierten, eher nöligen Stimmklang. Viele kennen ihn als langjährigen Moderator der Fernsehshow »Zimmer frei«, obendrein ist der Musikwissenschaftler auch Honorarprofessor für Popularmusik. Dem steht es natürlich gut zu Gesicht, wenn er kleinere und größere Schätzchen aus den Musikarchiven holt, liebevoll entstaubt und den nostalgisch seufzenden Zuhörern zu Füßen legt.

Da war auch diesmal viel Schönes dabei, aus den Federn oder Kehlen von Eddie Constantine, Vico Torriani und Peter Alexander, von Evelyn Künneke, Erwin Halletz, Erwin Lehn oder auch Hanns Dieter Hüsch. »Eine Nacht in Monte Carlo« gab es, »Ein kleiner Bär mit großen Ohren«, und merke: Cha-Cha-Cha geht immer.

Fluffig präsentiert

Die SWR Big Band zu loben hätte was von Eulenlogistik gen Griechenland – wie immer exzellent, was die Männer um Klaus Wagenleiter abgeliefert haben. Und so ein Alsmann ist stets für ein paar Lacher gut. Die Reutlinger Stadthalle nennt er das »Denkmal des unbekannten Vertäflers«, und wenn er beim Duett mit Hoffmann den Text nicht recht kann, biegt er auch das ins Amüsante.

Über weite Strecken kam das Ganze sehr professionell daher, musikalisch hochwertig und auch mit der gebotenen Fluffigkeit präsentiert. Aber auch wahnsinnig routiniert. Das merkten viele in der nicht ganz ausverkauften Stadthalle. Der Applaus war herzlich, aber von Standing Ovations war diesmal nichts zu sehen. (GEA)