BERLIN. Ron Howard gehört zu den etabliertesten Filmemachern Hollywoods. Auf sein Konto gehen Klassiker wie »Willow«, »Apollo 13«, »Der Grinch« und »Illuminati«. Für »A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn« bekam er den Oscar. Seine Karriere begann der heute 71-Jährige aber als Schauspieler unter anderem neben John Wayne in »Der letzte Scharfschütze« und in George Lucas’ Kultfilm »American Graffiti«. Doch Howard lebt für die Regie und stellte jetzt in Berlin mit »Eden« (ab 3. April im Kino) seinen wohl ungewöhnlichsten Film vor. Eine wahre Geschichte über deutsche Auswanderer, die sich 1934 auf den Galapagos-Inseln niederlassen, wo es zu Zwietracht, Intrigen und Mord kommt. GEA: Mr. Howard, was faszinierte Sie an dieser Geschichte?
Ron Howard: Ich hörte das erste Mal von der sogenannten Galapagos-Affäre vor 15 Jahren während eines Familienurlaubs auf den Inseln. Dort gibt es ein Museum, wo es einen ganzen Raum gibt, in dem es nur darum geht. Wir sprachen noch beim Abendessen darüber, bis meine Tochter Bryce meinte, das klingt nach einem tollen Film.
Was ist vor mehr als 90 Jahren dort passiert?
Howard: Die Wahrheit wird wohl niemals ans Licht kommen. Es gibt mehrere Versionen über die Geschehnisse um Dr. Friedrich Ritter, der sich mit seiner Lebensgefährtin Dora Strauch von der Gesellschaft verabschiedete, gefolgt von der Familie Wittmer und einer dubiosen Baronin mit ihren zwei Liebhabern. Sie führte eine Fehde, infolge derer einige von ihnen den Tod fanden.
Inwieweit wollten Sie der Wahrheit auf die Schliche kommen?
Howard: Zuerst nahm ich mir das Buch »Postlagernd Floreana« von Margaret Wittmer vor. Anschließend las ich Dora Strauchs »Satan Came to Eden«. Zwei unterschiedliche Perspektiven, in den beide jeweils die anderen verurteilen, und das mit ziemlich vagen Worten. Beide Versionen lieferten mir keine spezifischen Details. Es gibt weitere Theorien, schließlich blieben nur wenige Möglichkeiten übrig, wie es wirklich gewesen sein könnte. Ich richtete mich danach, was filmisch am besten umzusetzen wäre.
Mit Daniel Brühl und Felix Kammerer engagierten Sie zwei deutschsprachige Schauspieler, aber auch internationale Stars wie Jude Law als Dr. Ritter und Ana de Armas als Baronin …
Howard: Für eine Filmproduktion mit einem weltweiten Start ist es wichtig, internationale Namen zu haben. Wir haben uns den bestmöglichen Cast zusammengesucht. Mit Daniel Brühl drehte ich 2013 bereits »Rush – Alles für den Sieg«, wo ich ihm bereits von diesem Projekt erzählte. Damals erschien er mir für die Rolle des Heinz Wittmer noch etwas jung, aber es brauchte elf weitere Jahre, um »Eden« vollenden zu können.
Warum diese lange Zeit?
Howard: »Eden« ist kein Film, auf den sich ein großes Filmstudio eingelassen hätte. Dafür ist die Story zu düster und sozialkritisch. Es war von Anfang an klar, dass es ein Independent-Film werden müsste. Weshalb ich mich zuerst selbst an das Drehbuch machte. Aber ich bekam pro Jahr nur fünf bis sechs Seiten fertig. Endlich fanden wir mit Noah Pink einen geeigneten Autor. Als das Drehbuch fertig war, ging plötzlich alles wie am Schnürchen.
Hauptschauplatz der Story ist die Galapagos-Insel Floreana. Gedreht wurde aber an der Gold Coast in Australien. Warum suchten Sie sich einen anderen Drehort?
Howard: Dafür gibt es mehrere Gründe. Kosten spielten eine Rolle, aber auch, dass es auf den Galapagos-Inseln keine Infrastruktur gibt, um dort einen Film drehen zu können. Es ist ein Naturschutzgebiet, und wo man hintreten darf, ist sehr begrenzt. Mit der Gold Coast in Queensland fanden wir einen Ort, der frappierende Ähnlichkeiten zu Floreana aufwies.
Fast alle Figuren verhalten sich ambivalent, einen wirklichen Sympathieträger gibt es nicht. Könnte es dem Publikum dadurch nicht schwerfallen, sich auf die Story einzulassen?
Howard: Ich denke, die meisten werden sich am ehesten auf Margaret Wittmer, gespielt von Sydney Sweeney, einlassen können. Sie wollte gar nicht dorthin, und plötzlich findet sie sich hochschwanger in rauer Natur wieder. Ritter ist aber auch eine beeindruckende Figur. Er war ein realer Robinson Crusoe, ein moderner Philosoph, der seine Prinzipien lebte.
Warum faszinieren uns solche Robinsonaden noch heute?
Howard: Weder die Natur noch die Tiere sind das Problem, sondern der Mensch selbst. Das heißt, man kann vor sich selbst nicht fliehen, egal, an welchem Ort man sich verschanzt. In unserem Fall kommt es nun auch noch zur Kollision verschiedener Persönlichkeiten, und es ist interessant zuzusehen, was sich daraus entwickelt.
Wie meinen Sie das?
Howard: Das ist wie in einer Realityshow. Wie in einem Experiment kommen mehrere Menschen zusammen, die auf extremste Weise getestet werden und dadurch weitere Wesenszüge von sich selbst zeigen. Das kann sehr spannend, unterhaltsam, aber auch lustig sein.
Lustig?
Howard: Natürlich erzählen wir mit »Eden« eine ernste Geschichte, die brachial und intensiv ist. Aber im Drehbuch steckt auch viel Humor, insofern, dass sich alle Figuren ziemlich eigentümlich verhalten und ihre Handlungen oft ins Absurde führen. Das macht sie auch so authentisch. Es sind absurde Situationen, die wir zeigen, und alle Lacher, die wir dafür bekommen, sind willkommen. (GEA)
»Eden«, ab 3. April in den Kinos