REUTLINGEN/PFULLINGEN. Es ist erschreckend viel Unterdrückung, Krieg und Gewalt auf dem Planeten in diesen Tagen. Winni Victor setzt in ihrer Reihe »Reutlinger Kammeroper« Musik und Gedichte zu Freiheit und Solidarität dagegen, eingebettet in die Idylle des Reutlinger Heimatmuseumsgartens (26. Juli) und des Pfullinger Klostergartens (28. Juli, jeweils 17 Uhr). Als »sanfte Rebellion« gegen Gewalt und Entrechtung, unter der nicht zuletzt Frauen leiden, versteht die Reutlinger Regisseurin das Programm »Ich und Du, Baum und Regen«, das als Stationentheater quer übers Gelände führt.
Aufführungsinfo
Das musikalische Stationentheater »Ich und Du, Baum und Regen« ist am Freitag, 26. Juli, im Heimatmuseumsgarten Reutlingen zu erleben, am Sonntag, 28. Juli, im Klostergarten Pfullingen. Beginn ist jeweils um 17 Uhr. Bei schlechtem Wetter sind die Aufführungen am Freitag im Reutlinger Kunstverein und am Sonntag in der Pfullinger Klosterkirche. (GEA)
Im Zentrum stehen zwei Stücke für zwei Frauenstimmen der in Köln lebenden Iranerin Farzia Fallah. Sie reagiert darin auf die Unterdrückung von Frauen in ihrem Heimatland Iran, die friedlichen Proteste gegen das Mullah-Regime und deren blutige Niederschlagung. Für das Stück »A la garganta« hat Fallah einen Text von Federico García Lorca herangezogen, in dem sich der Schmerz über den spanischen Bürgerkrieg ausdrückt: »Siehst du nicht meine Wunde, die sich vom Herzen bis herauf zur Kehle zieht?«, heißt es darin. García Lorca wurde 1936 von Francos Putschisten ermordet.
Leitmotiv der Solidarität
Die ruhige Musik von Fallah drückt den Schmerz in »reibigen« Schwebeklängen aus, wofür sie von den beiden Sängerinnen auch Vierteltöne verlangt. »Es ist eine Musik, die aus der Stille kommt«, beschreibt es Mezzosopranistin Eva Resch, »aus der Sprachlosigkeit einer unterdrückten Sprache«. Nach einer einsamen Klage gesellt sich eine zweite Sopranstimme hinzu, die von Ulrike Härter. Sie nähert sich an, »erklärt sich solidarisch«, wie Victor es formuliert.
Das zweite Stück »Ich und Du, Baum und Regen« greift das Motiv der Solidarität als sanftem Widerstand mit einem Text des iranischen Dichters Ahmad Schamlou (1925 - 2000) auf. Hier werfen sich die zwei Sängerinnen auf spielerische Weise die Bälle zu. Fast neckend, wie Ulrike Härter schildert, wechseln die beiden Stimmen zwischen Brust- und Kopfregister, Gesangs- und Sprechstimme, Vibrato und Nonvibrato. Sie verstehe das Ganze als Hymne an die Solidarität, sagt Victor: Wenn jeder für den anderen da ist, kann ein ganzer Garten entstehen.
Sehnsucht nach Freiheit
Eingebettet sind die beiden Vokalstücke in Gedichte der iranischen Autorin Forugh Farrochsad. Die Lyrikerin, die 1967 mit nur 32 Jahren bei einem Autounfall starb, gilt als eine der einflussreichsten Frauen der modernen persischen Lyrik. Ihre Texte kreisen um die Sehnsucht nach Unabhängigkeit und Freiheit. In der Aufführung werden sie von Magdalena Flade vorgetragen und von Stephan Meyer am Cello begleitet.
Eine weitere Station ist Aphorismen des Argentiniers Antonio Porchia (1885 - 1968) gewidmet. Seine Sentenzen voll zarter Innerlichkeit sprühten Gegner der Militärdiktatur in den 1970er-Jahren als poetischen Widerstand auf Häuserwände. Volker Blumenthaler hat eine Reihe dieser »Voces« vertont, sieben sind nun begleitet von Meyers Cello zu hören, gesungen von Bariton Florian Hartmann. Von Station zu Station führt Thomas Löffler vom Ensemble Phorminx mit seiner Klarinette. (GEA)