Kunstvoll Leben einhauchen muss man so einem Stoff nicht: Helmut Palmers Biografie ist ebenso schillernd wie tragisch. Das LTT (federführend: Regisseur Gernot Grünewald und Dramaturgin Kerstin Grübmeyer) goss aus dieser Fülle ein Puppentheater-Musical und etikettierte es als »Political«. Ein Kaleidoskop, für das fast ausschließlich Originaltexte von Palmer senior verarbeitet wurden. In Buxtehude wäre Vorab-Getrommel vielleicht nötig gewesen, in Tübingen waren die Premierenkarten schnell weg und massenhaft Journalisten da.
Puppentheater vor Obstkisten
Sie sahen am Freitagabend in der LTT-Werkstatt modernes Theater voller Kunstgriffe, guter Ideen, kluger Lösungen. Gleich vier breitmäulige, etwa 1,10 Meter große Palmer-Puppen bevölkerten für etwa 100 Minuten die Bühne, die zwischen Obstkistenstapeln diverse Ebenen bot (Bühne und Kostüme: Michael Köpke).Weil man einen Helmut Palmer nicht einfach nachspielen kann, gab es mehrere der anarchischen Stoffgeschöpfe, einen ganzen Palmer-Chor ohne klare Rollenabgrenzung. Respekt für Sabine Effmert: Sie hatte das Puppentraining übernommen für die jungen, mit Puppenspiel unerfahrenen Schauspieler Laura Sauer, Patrick Schnicke, Lukas Umlauft und Raphael Westermeier. Es war sehenswert, wie die vier allein und gemeinsam an den Puppen hantierten, Brüche erzeugten durch die Blicke zwischen Puppen und Menschen oder die Zerbrechlichkeit, die plötzlich da war, wenn eine Palmer-Puppe wie ein Kind getragen wurde. Hin und zurück durch Palmers Leben sprang die Geschichte, nicht immer ganz glücklich verknüpft. Gerne hätte man mehr Originaltöne gehört und Bilder gesehen.
Vieles war schrill und zugespitzt, die Palmerpuppen brüllten Forderungen und Beschimpfungen, waren laut und maßlos und überwältigend. Süffige Schlager, Rockhymnen und Schnaderlhüpferl verpackten das Geschehen mal mehr, mal weniger stilsicher in Töne (Musik: Dominik Dittrich). Die vier Akteure spielten und sangen engagiert und mit vielen starken Einzelmomenten.
Zu wenig Tragik und Tiefe
Trotz allem waren die vier Puppen manchmal nicht genug, einfach zu sehr aus einem Holz beziehungsweise Textil. Mankos zeigten sich da, wo echte Gefühle und mehr Tiefe angebracht gewesen wären: Tragik muss man nicht überzeichnen. Trauer und Angst funktionierten schlecht in Verbindung mit Ironiesignalen. Leise Töne wären ohne Pathos und Larmoyanz stärker gewesen.Dass ausgerechnet Helmut Palmer so ganz ohne Schwäbisch daherkam, war sicher nicht anders möglich, blieb aber dennoch seltsam. Und seine Witwe Erika hat man im echten Leben kaum je in so einem bunten Kittelschurz gesehen, in den die Theatermacher ihre Nebenrolle verpackten.
Am Ende gab es geschlagene fünf Minuten Applaus für die Aufführung. Erika Palmer, die neben ihrem Sohn Boris Premierengast war, verteilte persönlich Blumen ans Ensemble. Hinterher lobte sie die engagierten Theaterleute und das Projekt. »Sie haben den Palmer ja alle nicht gekannt.« (GEA)