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Regisseur bringt Leben griechischer Musiklegende auf die Leinwand

Yorgos Tsemberopoulos ist Regisseur des griechischen Films »Stelios«. Auf seinem Lebensweg überwindet der berühmte griechische Sänger Stelios Kazantzidis, einst ein Flüchtlingskind, mit seinem Talent und seiner Widerstandskraft zahlreiche Hindernisse, um seine Erfüllung in der Musik zu finden. Ein Blick hinter die Kulissen.

Yorgos Tsemberopoulos in den Stuttgarter Innenstadtkinos.
Yorgos Tsemberopoulos in den Stuttgarter Innenstadtkinos. Foto: Ifigenia Stogios
Yorgos Tsemberopoulos in den Stuttgarter Innenstadtkinos.
Foto: Ifigenia Stogios

REUTLINGEN. Der griechische Film »Stelios« ist eine Hommage an den legendären Sänger Stelios Kazantzidis, dessen Stimme die Herzen aller Griechen auf der ganzen Welt berührte. Der Künstler ist einer der erfolgreichsten griechischen Sänger des 20. Jahrhunderts und lebte von 1931 bis 2001. »Stelios« gilt in Griechenland als der erfolgreichste Film der letzten 15 Jahre. Grund genug, dass er auch in zwölf weiteren Ländern gezeigt wird, unter anderem auch in Deutschland. Am Donnerstag findet im Kino Atelier in Tübingen eine Sondervorführung statt. Am Samstag, 5. April, Sonntag, 6. April, sowie nächsten Montag, 9. April, ist der Film im Reutlinger Kino Cineplex Planie zu sehen. Der GEA traf sich mit Regisseur Yorgos Tsemberopoulos.

GEA: Der griechische Filmtitel lautet auf Deutsch übersetzt »Ich existiere« und geht auf eines der bekanntesten Lieder des Künstlers zurück. Wann haben Sie dieses Lied zum ersten Mal gehört?

Yorgos Tsemberopoulos: Es ist ein Lied voller Herzschmerz. Als ich es zum ersten Mal hörte, berührte es mich zutiefst. Ich bekam Gänsehaut. Denn es drückte genau meine Gefühle aus. Ich war damals 24 Jahre alt und unglücklich verliebt. Es war ein glücklicher Zufall, dass der Film ausgerechnet nach diesem für mich so besonderen Lied benannt wurde. Ich hatte jedoch keinen Einfluss darauf. Als ich die Regie des Films übernahm, stand der Titel schon fest.

Der Hauptdarsteller ist kein Schauspieler, sondern ein Sänger. Wie kam es dazu?

Tsemberopoulos: Eine gute Stimme war mir wichtiger, als dass der Darsteller wie Kazantzidis aussieht. Wir hatten unzählige Schauspieler gecastet, aber niemand konnte singen. Das war ein großes Problem, denn schließlich handelt der Film vom Leben eines Sängers. Ein Kollege hat mich dann auf den Sänger Christos Mastoras aufmerksam gemacht. Obwohl er bekannt ist, kannte ich ihn nicht. Also recherchierte ich und stieß auf ein Interview. Da wusste ich sofort: Das ist er.

Was macht ihn so besonders?

Tsemberopoulos: Er war einer der wenigen, die sich in die Lage von Kazantzidis hineinversetzen konnten, denn wie Stelios war auch er ein Flüchtlingskind, mit einer starken Bindung zu seiner Familie. Sein Weg war nicht mit Rosen bedeckt, er musste sich durchkämpfen. Als ich ihn zum ersten Mal sah, mochte ich ihn sofort. Ich habe gehofft, dass er fleißig sein wird und viel Arbeit in seine Rolle stecken würde. Und das tat er dann auch.

Stimmt es, dass er Schwierigkeiten hatte, seine Rolle auswendig zu lernen?

Tsemberopoulos: Ja. Bei ihm wurde ADHS diagnostiziert. Mit einer entsprechenden medizinischen Behandlung ist es ihm jedoch gelungen, den Text auswendig zu lernen. Die Hauptsache war, dass er gut singen konnte und bereit war, alles dafür zu tun, um auch schauspielerisch zu glänzen. Ich habe ihn dabei unterstützt und das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Haben Sie Kazantzidis kennengelernt?

Tsemberopoulos: Kennengelernt habe ich nicht, aber ich hatte trotzdem eine Vorstellung von ihm. Für mich war er ein Künstler, den man nicht anders kann, als zu bewundern. Er war ein Mensch, der keine Konflikte scheute. Das macht ihn auch als Filmfigur sehr interessant. Ich wollte Stelios aber nicht als einen nörgelnden alten Mann darstellen, wie es die Medien in den letzten Jahren seines Lebens getan haben. Mein Ziel war es, ihn während seiner Blütezeit zu zeigen.

Gibt es etwas, was Sie gern im Film miteinbeziehen würden, es aber doch nicht getan haben?

Es gab ein Ereignis in seinem Leben, das mich zutiefst beeindruckt hat. Eines Tages bekam er ein Angebot über zwei Millionen Drachmen, um ein Wochenende in New York zu singen. Das war damals eine enorme Summe, doch er lehnte ab. Wer würde das heutzutage tun? Heute jagt jeder dem Geld hinterher. Aber so war er eben: Einerseits konnte er mit Geld um sich werfen und andererseits konnte er auch ein Geizhals sein.

Wofür sollte Kazantzidis außer seinem Talent noch in Erinnerung bleiben?

Tsemberopoulos: Er hat sich für die Rechte der Künstler und für faire Bezahlung eingesetzt. Viele sind ihm dafür dankbar. Er wehrte sich dagegen, bis spät in die Nacht in Lokalen zu singen, und forderte bessere Arbeitsbedingungen. Sein Wunsch war es, dass Lokale, in denen er auftrat, familienfreundlicher werden. Er hielt nichts von den typischen griechischen Nachtlokalen, wo sich seiner Meinung nach vorwiegend Neureiche aufhielten.

Welche Herausforderungen hatten Sie während der Dreharbeiten?

Tsemberopoulos: Wir hatten fünf Tage hintereinander mit der Hitze zu kämpfen. Es waren über 43 Grad Celsius. Mit 200 Statisten in einem geschlossenen Raum zu drehen, war hart. Hin und wieder gab es auch Probleme mit dem Ton. Wenn wir draußen gedreht haben, war der Straßenlärm oft störend.

Zur Person

Yorgos Tsemberopoulos wurde 1950 in Athen geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Athener Universität für Wirtschaft und Handel, arbeitete nebenbei als Fotograf und studierte dann Regie am American Film Institute in Los Angeles, wo er bis 1981 lebte und arbeitete. Die Liebe zum Fotografieren und Filmen entdeckte er, als er zufällig den alten Fotoapparat seines verstorbenen Vaters in einer Schublade fand. In Athen gründete er 1987 eine Filmproduktionsfirma. Er produzierte Werbefilme und führte Regie bei Spielfilmen. Er ist Gründungsmitglied des Verbands der griechischen Regisseure und Produzenten. Er war Vorstandsmitglied des Griechischen Filmzentrums (GFC), des Internationalen Filmfestivals Thessaloniki und von 2019 bis 2022 Präsident der Griechischen Filmakademie. (ifi)

Welches Zeichen möchten Sie mit dem Film setzen?

Tsemberopoulos: Ich möchte den Zuschauern nahebringen, dass es mal eine Zeit gab, in der die Menschen auch mit wenig zufrieden waren. Das war die Zeit, in der Kazantzidis lebte. Außerdem wollte ich thematisieren, dass Musik eine sehr positive Wirkung auf den Menschen hat. Ganz egal, in welcher Lebenssituation: Musik hat dem griechischen Volk immer Hoffnung und Selbstvertrauen geschenkt.

Was war für Sie die größte Herausforderung?

Tsemberopoulos: Es werden oft Filme über das Leben von Künstlern gedreht. Kazantzidis ist aber nicht so bekannt wie Bob Dylan oder Maria Callas. Daher war die größte Herausforderung, seine Geschichte so auf die Leinwand zu bringen, dass sie auch Zuschauer überzeugt, die keine Griechen sind und ihn nicht kennen. Gute Untertitel tragen dazu bei, dass auch Menschen, die keinen Bezug zur griechischen Kultur haben, die Geschichte hinter den Liedern verstehen können. Deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, dass zumindest die englischen Untertitel sehr gelungen sind. (GEA)