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Aktuell Kunst am Bau

Raumzeichen in Blau an den Reutlinger Wandel-Hallen

Hoch oben an den Wandel-Hallen prangt seit Neuestem eine Installation von Nikolaus Koliusis

Nikolaus Koliusis vor den Wandel-Hallen, an denen oben vor der Etage des Kunstmuseums/konkret seine blaue Lichtinstallation "von
Nikolaus Koliusis vor den Wandel-Hallen, an denen oben vor der Etage des Kunstmuseums/konkret seine blaue Lichtinstallation »von – bis – hier« angebracht ist. FOTO: KNAUER
Nikolaus Koliusis vor den Wandel-Hallen, an denen oben vor der Etage des Kunstmuseums/konkret seine blaue Lichtinstallation »von – bis – hier« angebracht ist. FOTO: KNAUER

REUTLINGEN. Neben den vielen Schildern am Wandelknoten springt seit Neuestem ein weiteres Zeichen ins Auge: signalblau und doch kein Verkehrszeichen, sondern ein Kunstwerk. »von – bis – hier« lautet sein Titel, seine zwei rechteckigen Teile streckt es im rechten Winkel in die Luft, hoch oben in zwölf Metern Höhe knapp unterm Dach der Wandel-Hallen.

Die Idee kam bei der Vorbereitung der Ausstellung »Gläserne Härten« im Kunstmuseum Reutlingen/konkret auf, das oben in den Wandel-Hallen residiert. Ein Nebensatz sei es gewesen, erinnert sich Künstler Nikolaus Koliusis im Pressegespräch. Dass es doch toll wäre, wenn die Kunst aus den Wandel-Hallen hinaus in die Stadt ragen würde. Nur so dahingesagt, aber Holger Kube Ventura, der fürs Kunstmuseum den konkreten Bereich betreut und die Ausstellung »Gläserne Härten« kuratierte, fing Feuer.

Für die Ausstellung, die noch bis 11. April läuft, ließ sich die Idee nicht realisieren – dann aber tat sich doch noch ein städtischer Topf auf. Um die 40 000 Euro kostet die Stadt laut Kube Ventura das Werk, das hier oben dauerhaft ein Kunst-Zeichen setzen soll. Es besteht aus Aluminiumrahmen und Scheiben aus blauem Plexiglas. Innen ist eine LED-Beleuchtung, die ständig angeschaltet bleibt, weil das Koliusis zufolge weniger Strom verbraucht, als sie täglich aus- und einzuschalten. Die Flügel der Arbeit sind mit dicken Schrauben quer durchs Mauerwerk verankert. Problem sei nicht ihr Gewicht – »schwer sind sie nicht« –, sondern die Windlast: Die beiden Rechtecke müssen auch einem Sturm standhalten.

Leuchtend über der Kreuzung

Während die beiden Teile also tagsüber signalblau ein Zeichen für die Kunst setzen, sieht man sie abends, wenn es ruhiger wird an der Kreuzung, leuchten. Dass die beiden 1,25 Meter hohen und 2,50 Meter breiten Elemente wie ausgebreitete Arme wirken, ist gewollt: Sie »umarmen« die vielfältige Stadtsituation am Wandelknoten – die Kreuzung mit ihrem tosenden Verkehr, den ZOB, das Treiben am Skaterpark, den Bürgerpark mit seinen Passanten.

Dabei, so Kube Ventura, bewege sich das Kunstwerk sozusagen mit. Je nachdem, von wo aus man es sieht, dominiert der eine oder andere »Arm«, verschieben sich die Proportionen. Dass seine Kunstwerke das Erleben des Raums beeinflussen, sei charakteristisch für das Schaffen von Koliusis, so Kube Ventura. Er verwies auf eine von dessen bekanntesten Arbeiten: seine Lichtinstallation im Autotunnel unter dem Kunstmuseum Stuttgart. Auch diese leuchtet blau und lässt den Autofahrer den Tunnelraum neu erleben. Dass Blau seine bevorzugte Farbe ist, hängt Koliusis zufolge mit ihrer Universalität zusammen: »Vom Äquator bis zum Pol können alle Menschen diese Farbe sehen – am Himmel, der uns überspannt.«

Über die Realisierung der Arbeit an den Wandel-Hallen zeigte sich Koliusis hocherfreut. Kunst und Kultur seien in einer schwierigen Situation, hätten in der Corona-Pandemie viel von ihrer Sichtbarkeit verloren. Umso ermutigender, dass die Stadt Reutlingen in eine Arbeit investiere, die den Museumsraum in die Stadt hinaus erweitert.

Die Kunst, sie streckt also mit Koliusis’ Arbeit die Fühler in Richtung Stadt aus. Wird selbst Teil des Stadtraums. Fügt sich nachts durch ihre LED-Elemente ins urbane Lichterspiel ein. Ohne aufdringlich Reklame zu machen. Als Zeichen, das ganz für sich steht – und doch verstanden wird. »Die Leute können ›Museum‹ auf der Arbeit lesen, ohne dass es darauf steht«, sagt Koliusis mit einem Lächeln. Und Kube Ventura ergänzt, in der auf den ersten Blick so einfachen Arbeit stecke unheimlich viel drin.

Folienarbeit in aktueller Schau

Dass er ein Händchen hat für dieses Komplexe im Einfachen, hat Koliusis schon oft gezeigt. Erst in der Stiftung für konkrete Kunst, später, als deren Sammlung an die Stadt ging, in den von Kube Ventura organisierten Ausstellungen im Kunstmuseum/konkret. Mal lagen spiegelnde Scheiben auf dem Boden und lösten den Raum optisch auf. In der aktuellen Schau »Gläserne Härten« hat Koliusis ein 64 Meter langes Band blau getönter Folie quer durch den Raum gespannt. Auch hier ist es das Raumerleben, das er mit einfachen Mitteln manipuliert.

Bleibt zu hoffen, dass die Ausstellung weiter offen bleiben kann, die Inzidenzwerte steigen bekanntlich wieder. Das Kunstzeichen hoch oben an den Wandel-Hallen wird man jedoch auch mitten im Lockdown bewundern können. (GEA)