PFULLINGEN. Das Gebäude scheint wie geschaffen für eine Auseinandersetzung mit dem Thema »Zeiten und Räume«: Das Kloster zur heiligen Cäcilia in Pfullingen erhielt im Jahr 1252 die Ordensregel von Papst Innozenz IV.; es bestand bis etwa 1590, als die letzte noch lebende Nonne zum Protestantismus konvertierte. Erhalten blieben die Klosterkirche und das mittelalterliche Sprechgitter.
Die Pfullinger Klosterkirche ist heute Teil des Kulturhauses Klosterkirche, das die historische Bausubstanz mit einem modernen Veranstaltungssaal verbindet. In diesen Tagen zeigen dort 24 Künstlerinnen und Künstler der Reutlinger Produzentengalerie Pupille Grafik, Malerei und Skulptur. Wie der an der Schau beteiligte Helmut Zirkelbach es formulierte, laden ihre Arbeiten die Besucherinnen und Besucher ein, »Zeit nicht nur als linearen Ablauf, sondern als etwas Lebendiges, Fragmentarisches und stets Neuinterpretiertes zu begreifen«.
Erinnerungen im Raum verorten und mit der Wahrnehmung von Zeit und Stunde spielen: Gisela Achour, Uta Albeck, Christine Dohms, Kathrin Fastnacht, Ulla Frenger, Hans Gunsch, Birgit Hartstein, Gudrun Heller-Hoffmann, Regine Krupp-Mez, Margarete List, Jutta Peikert, Renate Quast, Elke Roth, Wolfgang Schaller, Gabriele Seeger, Günther Sommer, Karl Striebel, Margot Spuhler, Renate Vetter, Izumi Yanagiya, Roswitha Zeeb, Renate Zeeden, Helmut Zirkelbach und Christine Ziegler. Der Kulturwissenschaftler Florian Stegmaier ging bei der von Albert und Benedikt Walker von der jungen Band Walkers in Palace umrahmten Vernissage - sie boten in instrumentaler Form Popsongs dar - auf die einzelnen Positionen ein. Beispielsweise auf Kathrin Fastnacht, die in einer Siebdruckserie mit dem Titel »Klosterkirche« dem zeitlichen Wandel des Ausstellungsorts nachspürt, dabei bauliche Veränderungen, auch Teilabrisse reflektiert, die das Gebäude im Lauf der Jahrhunderte erfahren hat.
Helmut Zirkelbach setzt sich in einer druckgrafischen Reihe mehrfarbiger Radierungen intensiv mit dem Medium Stundenbuch auseinander. Dabei sind dynamische und kontrastreiche Kompositionen gefüllter Einzelfelder entstanden, die, so Stegmaier, »eine Reflexion über Glauben, Zeit und den Fluss der menschlichen Existenz in Gang setzen und mit ihren wiederkehrenden Impulsen auch immer wieder in Gang halten«.
Birgit Hartstein weist in ihrem ein Räderwerk zeigenden Gemälde »Die Uhr tickt« auf die sich verschärfende Diskrepanz hin zwischen der kürzer werdenden eigenen Lebenszeit und den immer enger werdenden Räumen, die, so Stegmaier, »vielleicht gerade noch für Handlungen zur Verfügung stehen, um etwa globalen menschlichen Bedrohungen in der Klimakrise zu begegnen«.
Christine Dohms erzielt mit Mitteln der Fotografie einen malerischen Effekt. Ihre Arbeit »Der sich vor Licht verlor« entstand durch das Übereinanderschichten von Fotografien, die Wasserbewegungen und Pflanzendetails zeigen. Sinnlich erfahrbar wird so ein Zustand des Übergangs, ein Sich-verlieren-vor-Licht.
Ausstellungsinfo
Die Ausstellung »Zeiten und Räume. Grafik - Malerei - Skulptur« mit Arbeiten von 24 Künstlerinnen und Künstlern der Reutlinger Produzentengalerie Pupille ist bis zum 27. April 2025 im Kulturhaus Klosterkirche in Pfullingen, Klostergarten 2, zu sehen. Geöffnet ist Mittwoch und Samstag von 14 bis 18 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr. (GEA)
Margot Spuhler erinnert in ihrem Keramik-Ensemble »Qumranrollen und ihre Propheten« an den Fund der bekannten Schriftrollen vom Toten Meer, der 1947 und in den Folgejahren die Bibelwissenschaften und die Judaistik revolutionierte und als eine der zentralen archäologischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts gilt. »Mit einem Fund wie in Qumran gerinnt die Zeit zur Materie«, sagte Stegmaier. »Geschichte wird fassbar. Nicht nur als Text, sondern wirklich als Körper im Raum. Und so wird deutlich: Raum bewahrt Zeit.« Was auch für die im Jahr 79 nach Christus verschüttete Stadt Pompeji gilt, mit der sich Jutta Peikert in ihrer Keramik »Pompeji« befasst.
Karl Striebel verweist in seinen farblich faszinierenden, abstrahierenden Landschaftsgemälden mit dem Titel »Sommerzeit« laut Stegmaier auf die »zyklisch wiederkehrende Beständigkeit der Zeit, wie sie gerade in der Natur schaffend wirksam ist«. (GEA)