REUTLINGEN. Nicht ein weißes Hemd sieht man im Foyer des franz.K am Donnerstagabend. Alles ist schwarz aber fröhlich. Der Grund: Zwei Bands spielen auf beim Warm-up zum Indi(e)stinction-Festival 2025 – Die Alten aus Reutlingen und The Minimal Trees aus Stuttgart. Bands, die die Zeit leidenschaftlich zurückdrehen, den Elektro-Pop-Sound der frühen 1980er aufleben lassen, ihrem Publikum das Gefühl geben, die Uhr sei stehen geblieben zwischen New Wave und Gothic.
Damals, vor mehr als 40 Jahren, erfand sich die Popmusik gerade mal wieder neu. Nicht nur Gary Numan und Bauhaus bedienten sich bei den kühleren Experimenten der 1970er und bastelten tanzbare, hitparadentaugliche Musik aus ihnen. Natürlich war hier nichts mehr; Synthesizer regierten, flächig oder rhythmisch pumpend; Stimmen und Instrumente wurden verfremdet, sollten kalt und dunkel klingen. Das Geheimnis einer Musik, die mit rabenschwarzen Texten auftrat: Innerlich brannte da ein Feuer. Die kühl maskierte Lebensfreude revoltierte gegen eine Welt, der die Illusionen abhanden gekommen waren.
Benannt nach bösen Göttern
Die Alten gründeten sich zu eben jener Zeit. Wolfgang Schilhaneck und Markus Schneller alias Schilli und Schneller gehörten damals schon dazu, außerdem eine Sängerin namens Barbara. Eine Rhythmusmaschine stand ihnen zur Seite, heute ist es ein leibhaftiger Schlagzeuger, Bernd Christner, der ein minimalistisches E-Drum-Set bedient. Wolfgang Schilhaneck spielt einen E-Bass, der nach Maschinenhalle klingt, Markus Schneller eine Orgel, in der elektrische Geister wohnen. Mit modernen Instrumenten reproduzieren sie einen Sound, der vor 40 Jahren hochaktuell war. Benannt haben sie sich nach den finsteren Göttern, die in den Büchern des US-Schriftstellers H. P. Lovecraft über den Horizont der Wirklichkeit schauen – gealtert sind Die Alten seither selbst um mehr als 40 Jahre.
Die Energie, die Finsternis sind ihnen nicht verloren gegangen. Ihr Sound ist hart, bohrend, sie singen auf Deutsch. Der Bass knallt trocken und brutal. Die Orgel malt einfache Melodien und lässt Gletscher aus Klang ins Publikum rutschen. Markus Schneller singt metallisch tief von Aggressionen und von Nachbarn, zitiert ein Gedicht von Algernon Blackwood, britischer Autor mystischer Geschichten, und brüllt: »Das Böse! Das Böse!« Die Alten wirken wie eine morbide Version von Kraftwerk. Sie haben sich 2013 wiedergefunden, geben sporadisch Konzerte, steigern sich im franz.K in einen Rausch.
Dunkel und romantisch
The Minimal Trees aus Stuttgart sind wesentlich jünger, gründeten sich 2017. Hier steht einer am Keyboard, der sich schlicht Holger nennt. Mike singt, spielt gelegentlich eine E-Gitarre, Bass oder Schlagzeug, Nicole singt. Mit verschiedenen Synthesizern umgehen können sie alle. Auch ihre Musik wird vom kalten Puls bestimmt, ein peitschender Schlag gibt den Rhythmus. Wo Die Alten kosmisches Grauen evozieren, spielen The Minimal Trees eine dunkle, verführerische Romantik aus – »Horror House« heißt dennoch ein Song. Ihre Musik ist flächiger, elegischer, dabei immer tanzbar. Scharf umrissene Klangnebel ziehen vorbei, während die Stimmen von Markus und Nicole sich zurufen. Kleine Ewigkeiten vergehen, während ihre Melodien steigen, sinken, synthetischer Klang ins Unendliche zieht.
Die Alten und The Minimal Trees – beide spielen sie eine gute Stunde im franz. K, beide haben sie neue Songs dabei, die sie ihrem Publikum vorstellen. Und dieses Publikum, nicht groß, aber von großem Enthusiasmus, lebt ganz in ihren Welten. (GEA)