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Aktuell INTERVIEW

Psychodrama am Strand

Sam Riley ist für seine Rollen in »Cranko« und »Islands« für den Deutschen Filmpreis nominiert

Foto: nicht angegeben
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BERLIN. Doppelte Freude für Sam Riley (45): Der Brite mit der kratzigen Stimme ist gleich zweimal für den Deutschen Filmpreis nominiert – für seine Rolle als Schöpfer des Stuttgarter Ballettwunders in »Cranko« und für seine Darstellung eines desillusionierten Tennislehrers in »Islands«, der jetzt ins Kino kommt.

Gleich nach der Premiere werden beim Deutschen Filmpreis im Theater am Potsdamer Platz die Lolas vergeben. Gewiss wird Riley von seiner Frau, der Schauspielerin und Regisseurin Alexandra Maria Lara, begleitet werden. Ihretwegen kam er nach Berlin – und erlernte die deutsche Sprache so gut, dass er unser Interview im Charlottenburger Dorint Hotel gern in Deutsch führen möchte.GEA: Wie gut fühlt es sich an, gleich zweimal für den Deutschen Filmpreis nominiert zu sein?

Sam Riley: Ich drehe gerade in Glasgow in Schottland, und ich habe live mitverfolgt, wie die Nominierten bekannt gegeben wurden. Als ich meinen Namen das zweite Mal hörte, konnte ich es nicht fassen. Ich war sprachlos und bin wahnsinnig glücklich zur Arbeit gefahren.

»Islands« ist ein deutscher Film in englischer Sprache. Haben Sie sich sofort als Idealbesetzung gesehen?

Riley: Lustigerweise habe ich das Drehbuch am Strand gelesen, allerdings an der Ostsee, wo es ja auch schön ist. Ich war begeistert und hatte Angst, jemand wie Robert Pattinson könnte mir die Rolle wegschnappen. Mein Vorteil: Regisseur Jan-Ole Gerster wohnt wie ich in Berlin.

Wo Sie ihn gleich getroffen haben?

Riley: Jan-Ole ist sehr gründlich und wollte mich genau checken. Dreimal musste ich vorsprechen. Beim ersten Mal redeten wir nur über Filme, beim zweiten Mal übers Drehbuch und beim dritten Mal verpflichtete er mich, Tennis mit ihm zu spielen.

Sie haben Jan-Ole Gerster geschlagen und bekamen so die Rolle?

Riley: Nicht wirklich, ich hatte vorher nur einige Male gespielt. Ich war trotzdem gar nicht so schlecht, habe dann aber für drei Monate in Berlin Tennisstunden genommen. Vier bis fünfmal die Woche habe ich wirklich alles gegeben, um meine Selbstzweifel zu verlieren.

Spielen Sie jetzt weiterhin Tennis?

Riley: Nein, aber weil ich im Film auch mit Kindern Tennis spiele, habe ich öfters meinen Sohn zum Training mitgenommen. Ben war richtig gut und ist dabeigeblieben und ist seither leidenschaftlicher Tennisspieler geworden.

Haben Sie auch schon mal daran gedacht, wie im Film dort zu leben, wo andere Urlaub machen?

Riley: Immer, wenn ich auf einer Insel bin, denke ich, es wäre doch schön, hier den ganzen Sommer zu verbringen. Ich war noch nie lang auf einer Urlaubsinsel, aber als wir auf Fuerteventura acht Wochen drehten, bekam ich eine Idee davon.

Also hatten auch Sie irgendwann genug davon?

Riley: Irgendwann ging es mir genauso wie Tom im Film. Nur habe ich das Glück, eine Familie zu haben, die mich in den Ferien auch mal besuchen konnte. Das war wunderbar. Als Drehort war Fuerteventura natürlich herrlich. Aber immer in der Sonne zu arbeiten, strengt auch an.

In »Islands« erlebt man Sie als deprimierten Tennislehrer. Stimmt es, dass Sie lieber düstere als heitere Rollen spielen?

Riley: Mein Großvater hat sich immer gewünscht, dass ich etwas Lustiges drehe, wo ich nicht weinen oder sterben muss. Nicht düstere Rollen, sondern komplexere Figuren will ich spielen, die sich echt anfühlen. Vielleicht habe ich ein Gesicht, das traurig aussieht. Denn schon meine erste Kinorolle ging in diese Richtung.

Sie meinen »Control«, in dem Sie den Joy-Division-Sänger Ian Curtis porträtieren. Welche Bedeutung hat dieser Film für Sie?

Riley: Dieser Film hat mein Leben komplett verändert, in positiver Weise. »Control« ermöglichte mir eine Filmkarriere, ich sah mein Gesicht zum ersten Mal auf der Leinwand in Cannes. Verrückt! Und ich habe vor allem die Frau meines Lebens getroffen und kam dadurch direkt nach Berlin.

Wo Sie bis heute geblieben sind. Fühlen Sie sich hier inzwischen ganz angekommen?

Riley: Erst neulich war ich in Großbritannien, und wenn ich im Flieger nach Berlin sitze, habe ich das Gefühl, ich fliege nach Hause. Ich bin hier zwar Ausländer, aber auch in Großbritannien fühle ich mich mittlerweile wie ein Ausländer.

Wie nehmen Sie dahingehend die Stimmung zur Migrationsfrage in Deutschland wahr?

Riley: Ich bin ein Migrant aus England, meine Frau war ein Flüchtling – es ist ganz klar, wie meine Gefühle zu diesem Thema sind. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Meinung eines Schauspielers dabei so hilfreich ist. Wir sollten das besser über die Arbeit ausdrücken.

Wo verbringen Sie am liebsten den Urlaub?

Riley: Durch meinen Job bin ich ständig unterwegs und oft weg von meiner Familie. Ich habe noch nie in Berlin gedreht, obwohl ich schon seit 18 Jahren hier lebe. Wenn wir also privat Urlaub machen, soll er möglichst einfach sein, damit wir alles zusammen erleben können.

Wie kommt es, dass Sie noch nie in Berlin gedreht haben?

Riley: In Glasgow habe ich gerade auch mit einem Kollegen von dort gespielt, der zum ersten Mal in seiner Heimatstadt vor der Kamera stand. Durch meine Doppelnominierung beim deutschen Filmpreis hoffe ich, vielleicht mehr Arbeit in Deutschland zu bekommen.

Werden Sie mal wieder mit Ihrer Frau vor der Kamera stehen?

Riley: Im letzten Jahr drehten wir einen Film unter der Regie von Ben Wheatley. Alex musste dafür komplizierte Texte auf Englisch lernen, weil auch Science-Fiction dabei ist. Ansonsten ist der Film total experimentell und verrückt. Aber es hat Spaß gemacht. Hoffen wir, dass »BULK« bald ins Kino kommt. (GEA)

»Islands«: ab 8. Mai in den Kinos