MÜNCHEN. »Hello, it’s me!« Die ersten Worte ihrer Soul-Pianoballade gehen im ohrenbetäubenden Jubel der Zehntausende unter. Mega-Star Adele ist nach acht Jahren Pause auf dem Kontinent zurück auf der Live-Bühne. Und was für einer! In München hat das größte Projekt in der Geschichte der Popmusik begonnen. »Das mit einem dreistelligen Millionenbetrag kostspieligste Ereignis aller Zeiten«, sagt Marek Lieberberg vom Veranstalter Live Nation. Am Wochenende hat die britische Pop-Queen ihre ersten beiden von insgesamt zehn Konzerten absolviert.
Als ob es Teil der monumentalen Inszenierung ist, verdunkelt sich gegen 20 Uhr der Abendhimmel und ein kurzer Platzregen geht über der Pop-up-Arena nieder. In einem eigens für die Diva (36) aus dem Messeboden gestampften dreihundert Meter breiten Stadion. Rund 73.000 Besucher sind bei der emotionalen Show der Superlative dabei. Bis Ende August werden bei zehn Auftritten über 700.000 Fans die Konzertreihe erlebt haben. Es werden die einzigen Auftritte in Europa sein, ehe sie wieder Shows in Las Vegas macht.
Anfangs noch nervös
Zumindest der erste Abend steht unter enormer Anspannung. Das Verkehrschaos bleibt aus, dafür geht die Internetverbindung in die Knie. Adele, barfuß in dunkelblauem bodenlangem Abendkleid, hat indessen nicht nur zu Beginn mit Tränen zu kämpfen: »Ich habe unterschätzt, wie viel Scheißangst ich vor diesem Auftritt hatte. Ich bin so, so nervös«, sagt die 15-fache Grammy-Gewinnerin ins schier endlose Rund der Arena, auf dessen Bühne sie mit ihrer Band wie auf Stecknadelgröße geschrumpft wirkt. Doch die Präsenz der größten Popsängerin des Planeten und vor allem ihre Stimme füllt das Pentagon mühelos. Der Sound stellt alles bisher Gehörte auf Live-Konzerten in den Schatten. In jeder Ecke des Amphitheaters ist Adele in Wohnzimmer-Qualität zu hören. Nur, dass hier keiner auf dem Sitz bleibt, sondern im Stehen gefeiert wird.
Zwei Stunden lang wird sie über die größte Showbühne der Welt schreiten, zwei Fußballfelder breit ist ihr Podium, der Laufsteg misst rund neunzig Meter. Mal mit einem Bierkrug auf die Fans anstoßen – »lacht, weint und trinkt gemeinsam« –, mit größtem Spaß signierte T-Shirt-Bälle in die Menge schießen und mit dem Publikum plaudern, auch Intimes: »Ihr wisst, ich bin depressiv, ihr kennt ja meine Musik.« Die gewaltige Stimme braucht diese Ruhepausen. Einem schwulen Pärchen in Reihe eins hilft sie beim Heiratsantrag, eine Stuttgarterin holt sie auf die Bühne. »Wo liegt das?« – »Zweieinhalb Stunden Anfahrt.« – »That‘s easy peasy«, winkt Adele ab, angesichts der aus aller Welt angereisten Fans, die, wie auf die Leinwand projizierte Selfies zeigen, mitunter im Auto durch sechs Länder angereist sind.
Finale mit Feuerwerk
Vor allem aber wird sie singen, zwanzig Lieder insgesamt, mit einem furiosen »Rolling in the Deep«-Feuerwerk-Finale, ihre größten Hits mit Perfektion entertainen. Bei »Set Fire to the Rain« kommt das Unwetter realitätsnah auf dem 220 Meter langen und 17 Meter hohen Megabildschirm, der wie zwei Kleinbildfilmrollen die visuellen Effekte auf- und abwickelt. Ein Höhepunkt: der bombastische Video-Clip zu ihrem Oscar-gekrönten James-Bond-Titelsong »Skyfall«. Bei »When We Were Young« flimmern ihre Kinderbilder über die Leinwand – sie werden im Finale abertausendfach als Polaroid-Papierschnipsel ins Publikum geschossen.
Für Fans gibt es einen eigenen riesigen Vergnügungspark: »Adele World«. Bauernmarkt, Pub, Foodtrucks, Zusatzbühne, Riesenrad. Ein bayrisch-britisches Volksfest. Die WCs heißen Restroom und sind, wie alles in dem Park, edel und hochwertig. Überhaupt ist München, wo sie im »Rosewood Hotel« nächtigt, im Adele-Fieber. Ihr Name steht an jeder Ecke. Selbst die Durchsagen in den U-Bahn-Messe-Haltestellen sind von ihr gesprochen.
Nach einem geschickt inszenierten Vorverkaufs-Hype gibt es für die acht ausstehenden Konzerte (9., 10., 14., 16., 23., 24.8.) noch Tickets zwischen 185 und 419 Euro (direkt vor der Bühne). VIPs zahlen 1.250 Euro. (GEA)