REUTLINGEN. Wie ein orientalischer Märchenerzähler gibt sich der diesjährige Deutsche-Jazzpreis-Gewinner und Kurzhalslauten-Virtuose Rabih Abou-Khalil bei seinem vom Jazzclub in der Mitte ausgerichteten Konzert im annähernd ausverkauften franz.K. Skurrile kleine Geschichten über die finnische Küche, moderate Friedensextremisten und maltesische Hühnerzüchterinnen spinnt er rund um seine Kompositionen. Den Musikern, die ihn nach Reutlingen begleitet haben, überlässt er die musikalisch schrägen Parts.
Der arabischen Kunstmusik entliehen hat Abou-Khalil ein besonderes Faible für lange, ausladende Klangreisen. Er steuert einen bunten fliegenden Teppich, den sein langjähriger Weggefährte, der US-Amerikaner Jarrod Cagwin, mit kräftigen Schlägen auf Drumset und Rahmentrommel ausklopft und auf dem mit orientalischer Phrasierung der polnische Violinist Mateusz Smoczynski und dessen Landsmann Krzysztof Lenczowski am Cello ein unbekümmertes Tänzchen wagen.
Vertrackte Kompositionen
Der mehr als 40 Jahre in München lebende und unlängst nach Frankreich umgesiedelte Abou-Khalil bietet keine dieser so populären Allerweltsmusiken, keine simple Addition von Exotik und eingängigen Rhythmen. Vielmehr gibt der 66-jährige Oud-Gitarrist mit seinen vertrackten Kompositionen den Rahmen vor, den seine Mitmusiker zu kreativen Ausflügen nutzen. Diesmal sind es die beiden Neuen im Team, die das Konzept mit frischem Leben füllen. Krzysztof Lenczowski ergänzt die orientalischen Sounds mit mal assoziationsreichem, mal sensiblem Cellospiel, verbunden mit einer famosen Beherrschung von Bogen- und Grifftechniken. Auch die Rolle des Violinisten Mateusz Smoczynski ist hervorzuheben. Er führt meist fort, was der gebürtige Libanese Abou-Khalil und der agil trommelnde Jarrod Cagwin rhythmisch anregen, und zaubert aus seinem Instrument teilweise völlig neue Klangstrukturen.
Exotische Landschaften des Orients
Den Rhythmus der Stücke bestimmen Cagwins Schlagzeug und Abou-Khalil selbst, der seine achtsaitige Oud des Öfteren zum Trommeln zweckentfremdet, die Saiten der arabischen Laute hart anreißt. Er spielt mit Tonabnehmer und nutzt geschickt die sich daraus ergebenden Nebengeräusche, rutscht mit der Griffhand auf den Saiten und baut auch diesen Effekt in sein Spiel ein. Mal tanzt das Quartett durch die geschliffenen Arrangements der aktuellen CD »The Flood and the Fate of the Fish«, dann wieder ziehen Assoziationen zu den exotischen Landschaften des Orients vor dem geistigen Auge des Zuhörers ihre Kreise. Die vielfältigen Einflüsse dieses Kultur- und Lebensraumes zitiert Abou-Khalil fast beiläufig, füllt damit aber die entscheidenden Zwischenräume intensiv aus.
Erstaunlich nur, dass der Großteil des begeisterten Publikums angesichts der immer stürmischer werdenden Musik auf den Stühlen sitzen bleibt. Rabih Abou-Khalil wird das sicherlich bald in den Fundus seiner Konzertplaudereien mit aufnehmen. (GEA)