KIRCHENTELLINSFURT. In hohen Regalen stapeln sich Kunstwerke bis zur Decke in beschrifteten Kartons, vor denen Holzplatten mit eingravierten Zahlen und Buchstaben stehen. Große bedruckte Plakate zieren das Atelier von Klaus Hoffmann, ansonsten wirkt der Raum eher zweckmäßig. Seit 2014 erschafft der 82-Jährige hier in der ehemaligen Milchsammelstelle in Kirchentellinsfurt Kunstwerke, die den Betrachter sofort in ihren Bann ziehen. Holzdrucke mit leuchtenden Farben und prägnanten Schriften wie beispielsweise die Reihe »Ukraine - Die Freiheit führt das Volk« sowie aufwendig gestaltete Installationen sind Hoffmanns Markenzeichen. Mit dem GEA spricht der Lehrer im Ruhestand über seinen Weg zur Kunst.
Berufliche Anfänge machte Hoffmann in den frühen 1960er-Jahren als grafischer Zeichner in der Industrie. Während seiner Ausbildung zum sogenannten Negativ-Retuscheur lernte er, industrielle Bauteile originalgetreu abzubilden. Beispiele für Arbeiten aus der Ausbildungszeit Hoffmanns ähneln modernen, mit dem Computer erstellten Grafiken - sind aber von Hand gezeichnete Bilder.

Metallisch schimmernde Zahnräder, Gewinde, und Maschinenbauteile haben aufwendige Schattierungen und sehen aus wie fotografiert. Weiße Kanten und spiegelnde Flächen sind mit feinen Pinseln gezogen. »Die Farben, das ist Airbrush-Technik«, verrät Hoffmann, der ein Fotoalbum mit Werken aus seiner Lehre in den Händen hält.
»Natürlich war das nicht gesund«
»Es war so kalt - wenn ich rechts und links die Hände neben mich ans Bett gelegt habe, war es eiskalt«, erinnert sich Hoffmann Lehrjahre im Winter 1962/63 zurück. Zu dieser Zeit, im offiziell kältesten Winter des 20. Jahrhunderts, lebte er in Stuttgart. Eine Heizung hat der Künstler nicht gehabt, »die ist leider genau in diesem Winter kaputtgegangen. Ich konnte mir keine neue kaufen, weil es mir finanziell sehr schlecht ging«, so Hoffmann. Doch das Blatt schien sich für den mittlerweile zum Experten für Foto-Reproduktion (Repro) gewordenen Hoffmann schon bald zu wenden.
»Dann bin ich zur Presse gegangen, zum D-Mark Magazin - dem ersten Magazin für Warentests in Deutschland«, berichtet er. Plötzlich waren Hoffmanns Arbeiten aus dem Fotolabor des Magazins mit Sitz in Stuttgart in einer Auflage von über 700.000 Exemplaren deutschlandweit an allen Kiosks und Presseverkaufsstellen immer am samstags erhältlich. »Zweieinhalb Jahre habe ich dort gearbeitet, von Donnerstag bis Freitagabend um 10 Uhr ohne Schlaf. Das war natürlich nicht gesund.« Eine Gelegenheit, die Medienbranche zu verlassen, nutzte Hoffmann aus diesem Grund sofort, machte eine Sonderausbildung zum Kunstlehrer.
Als »ein Mann, der vom Fach kommt«, würde sich Hoffmann selbst betiteln, wenn er das müsste. »Für eine Kunstakademie habe ich kein Geld gehabt, ich musste arbeiten.« Sein über die Arbeitsjahre angesammeltes Wissen, das von den verschiedensten Drucktechniken bis hin zu Schriftgestaltung und Farbgebung für Plakate und Poster reicht, nutzte Hoffmann als Basis für sein künstlerisches Schaffen und als Möglichkeit, um Kunstlehrer zu werden.
»Für eine Kunstakademie habe ich kein Geld gehabt, ich musste arbeiten«
Denn aufgrund des Lehrermangels, der sich bereits zum Ende 1960er-Jahre in Deutschland bemerkbar machte und zunehmend zum Problem wurde, bemühte sich das Land Baden-Württemberg um neue Stellen und Fortbildungsmöglichkeiten für Quereinsteiger. Hoffmann machte den »Lehrgang zur Ausbildung zum Fachlehrer für bildhaftes Gestalten und Werken«. Von 1966 bis 2005, also bis zum 40. Dienstjubiläum, arbeitet Hoffmann als Kunstlehrer. »Dann bin ich in den Ruhestand gegangen.« Zehn Jahre hat er auch an der Kirchentellinsfurter Realschule unterrichtete. Lehrer sei er immer gern gewesen, »das hat mir Spaß gemacht«.
Im Ruhestand widmete sich Hoffmann ganz und gar der Kunst. »Vorher war ich in Wannweil in der ehemaligen Spinnerei«, so Hoffmann. Wegen der Nähe zu Echaz hatte er zweimal Hochwasser im alten Atelier, »deshalb bin ich da raus«. So bezog Hoffmann 2014 sein Atelier in der ehemaligen Milchsammelstelle, wo er bis heute arbeitet.
Eines seiner letzten Projekte ist die Reihe »Ukraine - Die Freiheit führt das Volk«, die der Künstler Anfang des Jahres anfertigte. Mit ihr verarbeitet Hoffmann eigene Kriegserfahrungen aus seiner Kindheit, die ihn an die Geschehnisse in der Ukraine erinnern. Wer oder was auf dem Holzdruck abgebildet ist, möchte Hoffmann dem Betrachter selbst überlassen. Für die Reihe hat sich Hoffmann von Eugène Delacroix und dessen Gemälde »Die Freiheit führt das Volk« (1830) inspirieren lassen, wie er erzählt. »Ich bin ein Kriegskind und habe meinen Vater erst mit zehn Jahren gesehen, als er aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekommen ist.« (GEA)