Immer neue Outfits
Was sie binnen drei Stunden zu hören und sehen bekamen, hätte unterschiedlicher kaum sein können. Und damit sind nur am Rande die vier Bühnenoutfits gemeint, mit denen Rist getreulich die Facetten seines neu konzipierten Images abbildete - mal lässig-schick im Anzug, mal im Trachtenhemd mit Edel-Lederhose und fabrikneu aussehenden Haferlschuhen, dann in Jeans mit schwarzer Lederjacke. Das muss wohl alles so sein.Damit ist vor allem die Musik gemeint, die Rist und die anderen Volksmusikanten machten. Da die beiden Kolleginnen »Sigrid & Marina« abhandengekommen waren, hatte Rists Management neben Legende Markus Wolfarth fix die »Geschwister David« und Schlagersternchen Liane nachnominiert. Alle spielen in einer anderen Liga als Rist - aber vor vorschneller Zuordnung sei gewarnt.
Peter Rist, das Greenhorn, war der Mann des Abends. Der, der vier Auftritte absolvierte, während alle anderen nur einen Block im Programm hatten. Er sang den größten Teil seiner teils selbst getexteten Lieder vom Debütalbum »Willkommen im Leben!«. Er moderierte, ließ sich von zwei langhaarigen Tänzerinnen umgarnen und holte seine Frau auf die Bühne, um sich ihr bei der Liebesballade »Nur mit dir« zu Füßen zu werfen, hart an der Grenze zur Peinlichkeit.
Bei all dem fehlte es ihm sichtlich an Routine, Coolness und auch Anmut. Eckig wie ein Holzkasperl agierte er hinterm Mikrofon, mit einer kleinen Auswahl einstudierter Posen und zwischendurch mit Armen, die seitlich leicht abstehend herunterhingen - wie einst bei der Anprobe des Konfirmanden-Anzugs. Da stand einer, der eine neue Rolle ausprobiert. Den Text dafür hat er schon gelernt. Guckte beim Moderieren mal kurz auf einen Spickzettel, hatte zwischendurch gelegentlich Hänger in den Strophen, aber es war ja auch viel Text. All das kann er üben, und wenn er wirklich will, wird er bald besser sein.
Stimmbildung täte not
Sein größtes Potenzial und zugleich die größte Gefahr ist seine Stimme. Sie ist klar, glatt und recht beweglich. Damit kann er frei von der Leber weg einiges bewerkstelligen - aber es reicht nicht. Woran es fehlt, und zwar überdeutlich, ist professionelle Stimmbildung. Peter Rists Intonation besteht viel zu oft aus Glückstreffern. Hohe Töne erreicht er wenn, dann gedrückt und mit Kraft. Er formt seine Klänge nicht, sie liegen wie unbehauenes Holz in der Gegend. Das fällt umso stärker auf, je langsamer und leiser die Komposition ist: Dann mangelt es der Musik schlicht an Ausgestaltung, an Färbungen und Interpretation.Aber das können andere noch weitaus schlechter als er. Beim Gesang der Geschwister David zog es einem punktuell die Schuhe aus, so falsch wurde intoniert. Und deren Mickymaus-Timbre ist sicher auch nicht zur Nachahmung empfohlen. In Sachen süßliches Kampf-Lächeln steckten sie Rist ebenso locker in die Tasche wie beim Phrasendreschen während der Moderationen. Will sagen: Peter Rist war schon bei seinem ersten abendfüllenden Konzert glaubwürdiger und auf seine Art ansprechender als die beiden jungen Frauen, die immerhin schon vier erste Plätze bei der ARD-Hitparade »Sommerhit« geschafft haben.
Bis zur Klasse einer Liane fehlt ihm allerdings noch einiges. Die trat auf im bodenlangen pinkfarbenes Kleid mit sehr langem Schlitz. So routiniert wie elegant sang sie mit energischer Stimme ihr Repertoire, bei den bekannten Hits ging das Publikum mit. Bei Rist blieben die Leute reservierter, aber das liegt auch in der Natur von noch unbekannten Liedern.
Wolfahrt zeigt, wie's geht
Mit Markus Wolfahrt, dem Gründer und Frontmann der 2010 nach 36 Jahren aufgelösten Formation »Klostertaler«, war einer aus dem Olymp der Branche nach Reutlingen gereist - und wegen ihm auch ein Großteil der Zuhörer. Ihm gehörte der letzte Teil des Abends, und er zeigte, wie's geht. Bei ihm stürmte das bislang sitzende Publikum vor zur Bühne, er rockte und jodelte, scherzte und flirtete, schwitzte und dirigierte die Massen. So jemand könnte selbst Schlagermuffel für sich einnehmen.Der Vergleich von Wolfahrt mit Greenhorn Peter Rist verbietet sich von selbst. Wie übrigens auch die Spekulationen, wo der singende Bürgermeister in fünf Jahren sein wird. Bislang hat er Mut gezeigt. Und den Peter Rist, wie er ist. Das kann in dieser durchaus bösartigen Branche so herum oder so herum ausgehen. Abwarten. (GEA)